Spiegelsee

Ab und zu finden Artikel über Jugendheime, in denen mit problematischen Methoden gearbeitet wird, ihren Weg in die Presse. Selten erfährt man, was letztendlich bei den Untersuchungen herausgekommen ist. Solche Artikel inspirierten mich zu „Spiegelsee“ – einem Buch, das eigentlich nie geplant war, denn „Allerseelenkinder“ war als alleinstehende Geschichte geplant. Aber ihr wisst ja, wie Helena ist, wenn sie etwas will …

Spiegelsee Cover CS

MAGIC CONSULTANT AND SOLUTIONS…

In einem Jugendheim in den Neuen Bundesländern gab es zwei Tote und einen Vermisstenfall. Da es sich nicht um humanoide Jugendliche handelt, schaltet das Jugendamt Helena ein, um sich vor Ort umzusehen. In einer verlassenen Hütte am See versucht sie, den oder die Verantwortlichen aufzuspüren. Und Verdächtige gibt es genug – etwa den humanozentrisch argumentierenden Abt des Klosters im Nachbarort. Auch die lokalen Satanisten haben ein gesteigertes Interesse daran, den Täter zu finden, denn eines der Opfer stammt aus ihren Reihen. Aber nicht alle von ihnen halten Helena für die geeignete Person, um die Vorfälle zu untersuchen.

Auch außerhalb des Rheinlands muss Helena ihre magischen Fähigkeiten unter Beweis stellen.

Leserstimmen:

Klasse geschrieben,spannend mit einer gesunden Portion Mutterwitz und Ironie!

…  wünsche ich mir noch mehr Geschichten aus dieser Welt lesen zu können. Aus einer Welt mit vielen rauhen Ecken und Kanten, an denen man sich verletzten kann, einer Welt wie unserer… nur ein kleines bisschen anders.

„Spiegelsee“ gibt es als eBook für Kindle und als Taschenbuch. Es ist darüber hinaus enthalten im Sammelband Magie hinter den sieben Bergen: Winter.

CN Gewalt, Vernachlässigung, Konversionstherapie (Folter), problematische Erziehung, Alkoholismus, Ertrinken, Blut, Körperflüssigkeit

Leseprobe:

(…) Eiskristalle glitzerten auf den parkenden Autos. Es hatte noch nicht geschneit dieses Jahr, aber die Beeren an Sträuchern und Bäumen waren reichlich und prall. Das bedeutet, uns stand ein harter Winter bevor. Die Wolken über unseren Köpfen schimmerten orange von den Lichtern der Stadt. Nicht einmal hier oben in Heiderhof war es völlig dunkel.

Raphael parkte seinen Wagen gegenüber von meiner Haustür und drehte den Zündschlüssel. Es wurde still. Schweigend saßen wir nebeneinander, während der Motor tickend abkühlte. Der Abend war schön gewesen. Wir hatten uns eine Komödie im Kino angeschaut und anschließend noch einen Drink in der brasilianischen Cocktailbar am Godesberger Bahnhof genommen. Ich liebte die Atmosphäre – die Musik, die farbenfrohen Bilder an den Wänden, die freundlichen Kellner. Und jetzt überlegte ich, ob ich Raphael hereinbitten sollte. Ein schmächtiger Dunstschleier stieg über der Motorhaube auf und hing unentschlossen in der Nachtluft. Der dunkelrote Lack reflektierte die Lichter, die bereits in den Fenstern meiner Nachbarn hingen. Aus dem Augenwinkel konnte ich mindestens zwei bunt geschmückte Tannenbäumchen in den Vorgärten blinken sehen. Alle Jahre wieder.

„Nun… danke für den schönen Abend“, sagte Raphael nach einer Weile leise. Ich hatte zu lange gewartet. Aufmerksam beobachtete ich seine Hände, die auf dem Lenkrad ruhten. Wir gingen erst seit drei Wochen aus, und bislang war ich vorsichtig darauf bedacht gewesen, mit ein kleines bisschen Privatsphäre zu bewahren. Heute ließ ich mich zum zweiten Mal von ihm nach Hause fahren, und im Haus war er noch gar nicht gewesen. Aber was sollte das überhaupt? Ich war schließlich kein kleines Kind mehr. Entschlossen drehte ich mich zu ihm um.

„Möchtest… möchtest du noch einen Kaffee trinken?“ Meine Stimme klang hoch und atemlos wie die eines Teenagers. Meine Wangen begannen zu glühen. Wie ich das hasste.

Er lächelte leicht, und ich konnte das Grübchen auf seiner rechten Wange sehen. Mit seinen kurzgeschorenen dunkelblonden Haaren und den immer sorgfältig gebügelten Sachen sah er aus wie ein Hybrid aus Bankier und Soldat – eine Mischung, die mit sehr gefiel. Mein Herz schlug schneller.

„Gerne.“ Er stieg aus und kam um den Wagen herum, um mir die Tür aufzuhalten. Eine altmodische Marotte, aber irgendwie charmant.

Als ich mich aufrichtete, standen wir so dicht voreinander, dass der Saum seines Wollmantels meine Beine berührte. Unsere Gesichter waren auf gleicher Höhe. Hinter meinem Brustbein kribbelte es. Vielleicht war es nur die Kälte – auf jeden Fall gab es keinen Grund, länger als unbedingt nötig hier in der Kälte zu stehen.

Raphael beugte sich vor und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus meinem Dutt gelöst hatte. „Ich mag deine Frisur.“ Ich spürte seinen Atem warm auf meiner Wange. „Das ist jetzt vielleicht seltsam, aber… Ist Braun eigentlich deine natürliche Haarfarbe?“

Ich schob seine Hand beiseite. „Warum fragst du?“

„Nur so.“ Er lächelte. „Ich mag die Farbe.“

Als ob ich den Nerv hätte, jeden Monat Zeit beim Friseur zu verplempern.

Wir überquerten die Straße. Ich vergrub die Hände in den Taschen meiner Lederjacke, um mir wenigstens ein bisschen Wärme zu bewahren. Je schneller wir im Haus waren, desto –

„Warte!“ Raphael griff nach meinem Arm.

Ich zuckte zusammen. „Was ist?“

„Da vorne ist jemand!“

Mit zusammengekniffenen Augen spähte ich den Fußweg zu meiner Haustür entlang. Die Straßenlaterne war mal wieder kaputt – das dritte Mal in diesem Monat. Die Beete lagen unberührt und trist, in Erwartung der Schneemassen. Dazwischen glitzerte Frost auf den Betonplatten. Die Stufe vor der Haustür lag im Schatten, und in diesen Schatten schien sich tatsächlich etwas zu bewegen. Hatte mein Schutzkreis etwa versagt?

Die Gestalt streckte sich. Zu ihren Füßen lag ein Bündel. Ich dachte an die Unterlagen auf meinem Küchentisch, mit denen ich mich bis vor wenigen Stunden beschäftigt hatte, und mein Magen zog sich zusammen. Lieber auf Nummer sicher gehen. Vorsichtig befreite ich mich aus Raphaels Griff. (…)

2 Gedanken zu “Spiegelsee

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