Klar, gelesen ist so ein Buch in wenigen Tagen. Geht mir ja nicht anders. Aber wie lange braucht man von der ersten Idee bis zum kompletten Manuskript? Kann man das ausrechnen?
Na ja, bedingt. Wenigstens das eigentliche Schreiben. Wenn man weiß, das fertige Buch wird mindestens X Wörter lang und man schreibt im Schnitt Y Wörter an Z Tagen pro Woche, dann hat man eine Faustformel, nach der man planen kann – selbstverständlich immer mit ausreichend Puffern für unerwartete Events. Das Überarbeiten lässt sich ähnlich planen.
Aber wie lange braucht man für die ganzen Vorarbeiten? Da wird es schwierig. Das lässt sich nämlich nicht immer eindeutig planen. Als ich 2011 anfing, „Allerseelenkinder“ zu schreiben, hatte ich die Idee für ein Buch. Am Ende kam dann die Idee für das zweite Buch, und da war klar, wie die Reihe aussehen sollte. Das eigentliche Finale kenne ich selbst erst seit diesem Sommer. Das wären dann also sechs Jahre für die komplette Idee, und ich hoffe, dass ich euch Ende nächsten Jahres einweihen kann. Also insgesamt etwa sieben Jahre.
Bei dem, was ich danach schreiben möchte, sieht es ähnlich schwammig aus. Erst hatte ich einen Charakter. Einen ehemaligen Auftragskiller, der sich mit mehr oder weniger legalen Nebenjobs über Wasser hält. Ein Experte für Kryptiden. Daraus ergaben sich die ersten Eckdaten für die Welt, in der die Geschichte spielt. Ich weiß gar nicht mehr, wann das zusammenkam. Eigentlich war er der Held einer Kurzgeschichte. Aber aus der Kurzgeschichte wurde plötzlich der Hintergrund für ein Abenteuer, als ich begriff, wer die zweite Person in der Geschichte war.
Zunächst unabhängig davon hatte ich eine andere Figur, ebenfalls vom Rand der Gesellschaft. Gelegenheitsdiebin, ehemaliger Junkie, mit einigen besonderen … Begabungen, sagen wir mal. Ich will ja auch nicht zuviel verraten. Aus der Geschichte dieser Figur ergab sich dann plötzlich der Plot, der die beiden verschiedenen Welten zusammenbringt.
Das ist quasi der Kern der Geschichte. Zwei Leute, die etwas erreichen wollen, und eine weitere Person, die das verhindern will. Das trage ich schon mehrere Jahre mit mir herum, knabbere an den Kanten und versuche, die Details und Plot Twists auszubügeln. Während ich also noch mit konkreten anderen Geschichten beschäftigt bin, läuft das im Hintergrund, bis es eine kritische Masse erreicht hat.
Tja, und das ist jetzt allmählich der Fall. Die Figuren spuken mir im Kopf herum, ich weiß mehr über die Welt, in der die Geschichte spielt, und es juckt mich in den Fingern, endlich loszulegen.
Gut, dass ich dafür noch keine Zeit habe. Das Warten wird mir helfen, die kleinen Details zu regeln. Aber den Plot kann ich schon aufstellen. Alles inoffiziell und heimlich natürlich, während ich noch in erster Linie mit anderen Manuskripten beschäftigt bin. Aber wenn ich es jetzt nicht aufschreibe, vergesse ich es vielleicht, und das muss auf jeden Fall verhindert werden.
Die meisten Autoren warten händeringend auf diesen Moment, in dem die Figuren lebendig werden und vom Papier springen wollen. Wenn wir das erreicht haben, haben wir lebendige Figuren – nicht nur Charakterschablonen, sondern so etwas wie echte Menschen, mit denen man gerne Zeit verbringen will. Und das ist wichtig, denn diese Figuren sind für lange Zeit unsere ständigen Begleiter.
Mit dem Schreiben und Überarbeiten ist es also nicht getan. Zum Glück kann das Träumen und Planen und Ausprobieren vorher passieren, während man spült, bei der Post in der Schlange steht oder spazieren geht. Das Autorendasein ist also doch ein 24/7-Job, selbst wenn man nebenbei noch ins Büro geht oder am Fließband steht. Darum sind wir alle auch so seltsam. ^^