Der Irrsinn tobt schon seit ein paar Wochen, und ich war mir einfach nicht sicher, ob ich aus meiner überaus privilegierten Perspektive auch noch etwas dazu schreiben sollte. Aber ja.
Angefangen hat es damit, dass ein weißer US-Polizist sich auf den Hals eines schwarzen US-Bürgers gekniet hat, bis der nicht mehr atmete. Das ganze passierte im Rahmen einer Festnahme wegen einer möglicherweise gefälschten Zwanzig-Dollar-Note. Ihr kennt die Details.
Mich hat gewundert, wie oft in den darauf folgenden Tagen in Diskussionen Folgendes bemüht wurde: „Aber der Typ war ein vorbestrafter Krimineller!“
Eben tief Luft holen.
JA UND???
Das gibt niemandem das Recht, ihn bei der Festnahme zu töten.
Einmal abgesehen davon, dass viele Leute, die mit Falschgeld irgendwo auftauchen, ÜBERHAUPT NICHT festgenommen werden. Und erst recht nicht zu Tode gekniet.
Auf jeden Fall wird einmal mehr weltweit darüber gestritten, welche Rechte welche ethnische Gruppe und welche Minderheit haben sollte, wer was darf, wer sich wie benehmen muss, um eben nicht in Polizeigewahrsam zu geraten (und dort zu sterben), und wer sich doch bitte nicht so aufzuregen habe, schließlich seien doch alle immer nett zu ihnen gewesen.
Ich verrate euch ein Geheimnis: Niemand von uns weiß alles. Niemand von uns macht alles richtig. Und jeder von uns kann dazulernen.
Dass Menschenrechte eben für ALLE Menschen gelten sollten, ist im Namen schon irgendwie impliziert. Logisch, oder?
Unzählige BIPoC haben ihre Erfahrungen mit Rassismus AUCH IN DEUTSCHLAND geteilt, um darauf aufmerksam zu machen, wie präsent solche Probleme in der Geesellschaft noch sind. Häufigste Antwort darauf: „Heul nicht, wenigstens ist es in den USA viel schlimmer als hier.“ Ist wahrscheinlich so nicht wahr und zweitens – macht es das etwa besser?
Wenn jetzt also, in einem nächsten Schritt, jemand mir sagt, dass ich etwas Verletzendes/Rassistisches/Diskriminierendes gesagt oder getan habe, dann hat diese Person höchstwahrscheinlich recht. Dann denke ich darüber nach, wie ich es demnächst besser machen kann, und mache wahrscheinlich stattdessen etliche andere Fehler. Wir lernen schließlich immer noch alle dazu.
Ich glaub ja, sehr viele Menschen sitzen – bewusst oder nicht – einem Gedankengut auf, welches da lautet: „wenn sich die Situation für jemanden, der nicht ich bin oder nicht wie ich aussieht, verbessert, oder wenn überhaupt irgendetwas gesagt oder getan oder organisiert wird, bei dem es ausnahmsweise mal nicht um MICH geht, dann kann ICH dabei nur verlieren“.
Gesellschaftliche Zustände werden aus diesem gefühlten ‚wir und die‘ heraus als Nullsummenspiel betrachtet. Das ist bei Sexismus, Trans-Hass usw. leider oft ganz genau so.
Und unabhängig davon kommt dann noch das dazu, was dir selbstverständlich scheint, für viele aber ein absolutes No Go ist: das Dazulernen und Eingestehen von Fehlern. Widerspricht nämlich dem Gedankengut „sich irren und das zugeben ist ein Zeichen von Schwäche“. Und das ist paradoxerweise auch bei denen so, die sich bereits für sehr progressiv halten – denen geht dann irgendetwas plötzlich „zu weit“, weil sie es vorher eben nicht auf dem Schirm hatten und dann in ihrer Überzeugung, ein fantastisch wichtiger Rebell gegen die Ungerechtigkeit zu sein, der gefälligst auch alle Ungerechtigkeiten im Blick hat und keine Fehler mehr machen kann, erschüttert werden…