Deutsche Geschichte, deutsche Geschichten

Auf dem Buchmarkt gibt es einige merkwürdige Eigenarten zu beobachten.

Beispielsweise geben viele Schreibende sich englisch klingende Pseudonyme. Ich bin nicht ganz sicher, was sie damit erreichen wollen, aber es ist nun einmal so.

Außerdem neigen Schreibende dazu, ihre Geschichten an Orten spielen zu lassen, die sie nicht kennen – sehr beliebt ist seit einiger Zeit die US-Uni oder Highschool. Leider merkt man schnell, wenn so ein Schauplatz unreflektiert ausgesucht wurde, denn obwohl wir konstant mit US-zentrischer Unterhaltung zugeballert werden, gibt es in der Kultur doch eklatante Unterschiede, die einem oft erst einmal gar nicht bewusst sind, bis man direkt mit ihnen konfrontiert wird. Deswegen mutet es oft putzig an, wenn so komplett urdeutsche Figuren in einer zufällig in die USA teleportierten coolen deutschen Kleinstadt agieren.

Und auch da die Frage – warum? Ist das cool? Soll das eine Weltbürgerlichkeit vortäuschen oder suggerieren, dieses Buch sei megaerfolgreich und aus dem US-Englischen übersetzt?

Ich finde es tatsächlich spannender, Geschichten zu lesen, die in Deutschland spielen und sich aus dem „Alles ist klein und grau und kacke“-Einheitsbrei abheben. Denn so gerne ich auch selbst reise, wenn möglich, finde ich die Orte direkt unter unserer Nase gleichzeitig sehr faszinierend. Und wenn ich für eine neue Geschichte recherchiere, hier vor Ort (ja, ich schreibe Phantastik, aber wenn ihr mir das Phantastische glauben sollt, muss das Alltägliche stimmen!), entdecke ich immer wieder neue Details und Ecken, die ich vorher nicht kannte. Demnächst stehen auch wieder einige Spaziergänge und Entdeckungstouren an …

(Mein Geläster bezieht sich übrigens natürlich nicht auf Menschen, die Geschichten an Orten spielen lassen, die sie tatsächlich selbst kennen. Ich erzähle ja immer wieder gern, dass unser Island-Urlaub anno dazumöme meine geplante Island-Geschichte getötet hat, weil alles so komplett anders war. Auch das kann passieren.)

Und um das ganze positiv gestimmt enden zu lassen – welche deutschen Autor*innen oder in Deutschland spielenden Geschichten haben euch so richtig begeistert?

3 Gedanken zu “Deutsche Geschichte, deutsche Geschichten

  1. Ich gebe zu, dass ich ein englisches Pseudonym aus zwei Gründen wollte:
    – weil ich vorhabe, meine Geschichten noch ins Englische und Russische zu übersetzen und mir vorstellen kann, dass beide Sprachen mit Englisch weniger Probleme haben als mit Deutsch (Джун Т. Майкл funktioniert auf dem russischen Markt sehr gut, aber mit Юна Т. Михаель hat die russische Zunge eklatante Ausspracheprobleme, und das Englische würde mir sowieso Variante 1 daraus machen, also … :D )
    – Entfremdungszwecke, weil ich mir mein Pseudonym aus Namensbestandteilen von Familienmitgliedern gebaut habe, um zu sagen „Auch wenn ich unter einem Namen veröffentliche, der nicht mein Passname ist, bin das trotzdem zu 100% ich, mit meiner Vergangenheit, meinem Leben und meinen Wurzeln und nicht einfach eine erdachte Internet-Sona“.

    Aber ja, mir fällt es auch auf, gerade weil ich in dem Bereich mich gut auskenne, wenn Leute Geschichten einfach in die USA verfrachten, aber nur ganz flüchtig recherchieren und davon ausgehen, dass bestimmte Mechanismen einfach 1:1 übertragbar sind. Das fällt für mich dann unter schlechte Recherche.

    Das Buch, das mir zuletzt sehr gut gefallen hat und in Deutschland spielt, war Tristan Lanstads „Plastikefeu hält sich gut“. Eine Vorab-Version davon konnte bis Ende April auf Belletristika gelesen werden, das Buch soll dann Verlagen angeboten werden und ich weiß jetzt schon, dass ich es mir noch mal kaufen werde.

  2. Spontan fällt mir Anne Zandts „Neubrandenwolf“ ein, der ganz normal arbeitet und dann Bus (oder war es Straßenbahn) fährt. Ich liebe solche alltäglichen Sachen.

Los, gebt es mir!

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