Auf ein neues Neues

Hoffentlich habt ihr euch alle gut ins neue Jahr rübergerettet. Höre ich da etwa verhaltenen Optimismus? Du musst es ja wissen. Hier geht alles immer noch nicht wieder seinen geregelten Gang, aber wir nähern uns einer Art Ordnung.

Letzte Woche gab es eine weitere Beerdigung im Familienkreis. Das macht dann drei Todesfälle seit dem letzten April. Sagen wir mal so – 2022 wird mir nicht als Lieblingsjahr in Erinnerung bleiben. Ein naher Verwandter des Mannes ist kurz vor den Feiertagen gestorben, und da es sonst niemanden mehr gibt, sind er (und ich) und sein Bruder mit der Abwicklung von allem, was da kommt, beschäftigt. Ich bin ja keine Freundin von Papierkram, und dem Verwandten hätte ich noch ein langes, gemütliches Leben gewünscht, damit er seinen eigenen Papierkram erledigen kann.

Ah well.

Ganz langsam fuchse ich mich wieder in eine Schreibroutine ein, sortiere meine Handarbeits- und Mal- und Zeichensachen und entdecke unter dem ganzen Chaos meinen Schreibtisch wieder. Die „Schattenfall“-Reihe gibt es eben erst im kommenden Herbst, lässt sich nicht ändern. Ich wollte dir lieber ein gutes als ein pünktliches Buch präsentieren und hoffe, das ist auch in deinem Sinn. Wer weiß, vielleicht lerne ich bis dahin sogar noch dazu? Die Hörbuchproduktion liegt auch auf Eis, und von all den anderen Plänen und Projekten reden wir erst gar nicht. Ich bin nicht sicher, wie lange ich brauche, um meinen alten Schwung wieder zu finden. Aber ich gebe nicht auf – was wäre denn auch die Alternative? Vernünftig und alt zu sein und in einen lokalen Schützenverein einzutreten? Dann lieber auf eigene Faust Blödsinn machen.

Und jetzt hoffe ich, dass du schon deine eigenen Pläne für Blödsinn geschmiedet hast. Was, glaubst du, hat 2023 für uns in der Hinterhand?

Unter der Schale

Winter ist Orangenzeit.

Auf einem Schreibtisch liegen eine Orange und ein rotes Schälmesser. Im Hintergrund sieht man eine altmodische Maus und einen Notizblock.
Sogar im Büro bin ich bewaffnet!

Und ich liebe Orangen! Leider ist das Schälen sehr lästig, findest du nicht?

Eine wichtige Erinnerung an meinen Großvater ist, wie er Orangen geschält hat. Keine Ahnung, ob er das oft gemacht hat. Mein Gehirn behauptet es. Und von Opa geschälte Orangen waren die besten. Gut, vielleicht hat er das nur einmal gemacht und es war völlig belanglos, wer weiß?

Erinnerungen sind seltsam. Und manchmal kann man sie gar nicht mehr verifizieren – das Gehirn ist ein berüchtigter Lügner und alle anderen Beteiligten sind schon längst an einem besseren Ort. Hawaii, zum Beispiel.

Und wenn ich heute Orangen schäle, denke ich an meinen Großvater und freue mich. Und wenn das niemand außer mir mehr nachvollziehen kann, ist das in Ordnung.

Was glaubst du, womit du anderen Leuten im Gedächtnis bleibst?

Besser zu zweit (Cat Edition)

Vor einem Fenster mit herbstlichem Ausblick sitzt auf einer grauen Decke eine graugetigerte Katze und schaut vom Fenster weg. Auf dem Glas klebt ein Slogan: "Her mit dem schönen Leben!" Im Hintergrund Ablagen mit Büromaterial und bunten Steinen.

Das ist Mara. Mara hieß ursprünglich Chantalle und kommt aus dem Tierschutz. Sie hatte ein gebrochenes Bein, aber davon merkt man kaum noch etwas. Sie hatte auch Kittens, die sind leider alle tot. Mara ist etwa 18 Monate alt und wohnt jetzt bei uns.

Ein schwarzweißer Kater und eine graugetigerte Katze beschnuppern einander vorsichtig. Um sie herum gibt es Katzenzubehör: Kratzpappen, Spielzeug, eine Kuschelhöhle. Im Hintergrund steht ein Regal mit Kisten, Körben und einer Nähmaschine (unter anderem).

Kurt fand Mara am Anfang interessant, aber auch ein wenig seltsam. Wir haben sie einander vorsichtig vorgestellt.

Graugetigerte Katze schläft zusammengerollt auf einer grauen Decke. Im Hintergrund Körbe und Gläser.

Allmählich lebt Mara sich ein. Sie hat schon raus, dass man herrlich pennen kann, wenn ich am Schreibtisch sitze.

Schwarzweißer Kater liegt aufmerksam auf dem Schreibtisch. Am Rand sieht man ein Notebook, bei dem ein Schreibprogramm aufgerufen ist, und einen Block mit handschriftlichen Notizen. Im Hintergrund Ablagen mit Papier, Umschlägen etc.

Auch Kurt findet es gut, wenn ich schreibe. Er arbeitet mit, braver Kater. (Ihr glaubt doch nicht, dass ich meine Bücher alle selbst schreibe???)

Eine graugetigerte Katze und ein schwarzweißer Kater klettern gemeinsam auf einen sandfarbenen Kratzbaum, den Rücken zur Kamera. Im Hintergrund ein apfelgrüner Vorhang, am Rand einige Stofftiere.

Und wenn sie gerade nicht im Büro sind, erkunden sie gemeinsam die Wohnung und haben nur Rosinen im Kopf.

(Sämtliche Tippfehler resultieren übrigens daraus, dass Kurt gerade AUF meinen Armen VOR dem Notebook liegt und dringend schmusen muss. Er hat eine Quote zu erfüllen.)

Das war also unsere Woche, in kurz. Wir vermissen Greebo immer noch, doch Kurt hat jetzt wenigstens eine neue Gefährtin, mit der er Schabernack treiben kann, und ist ein echter Gentlekater.

„Sie stand auf und ging hinüber ins Wohnzimmer“

Da können wir uns alle etwas drunter vorstellen, oder? Und da passiert ja auch nicht viel, muss man also nicht mehr schreiben.

Es sei denn, das Aufstehen verrät etwas über den Charakter, von dem wir gerade schreiben.

Ich illustriere das mal mit meinem „Aufstehen und ins Wohnzimmer Gehen“ von heute morgen: Aufgewacht bin ich, als Kurt zu mir ins Bett gehopst ist, um sich ein paar Streicheleinheiten abzuholen. Dann bin ich senkrecht, hab meine bequeme Hose angezogen und dachte mir: „Komm, mach dir mal einen faulen Morgen. Nach den letzten zwei Tagen hast du den verdient.“ (Der Gesundheitszustand des anderen Katers hatte sich kurzfristig derbe verschlechtert und es stand zur Debatte, ob wir ihn einschläfern lassen oder ob Medikamente noch einmal helfen, ihn zu stabilisieren; wir haben viel geflucht und wenig geschlafen, bis es wieder besser aussah.) Also ins Bad und ab zu den Katern. Die müssen nämlich morgens als erste versorgt werden. Parallel schnell die Küche aufräumen und ein paar organisierende Handgriffe in Wohnzimmer und Bad, damit alles wieder bewohnbar ist. Wäsche aufhängen, die wohnt sonst in der Waschmaschine, bis sie eine eigene intelligente Zivilisation entwickelt. Schnecken versorgen. Kaffee zubereiten. Bis ich dann tatsächlich auf dem Sofa saß und zu meiner entspannenden Handarbeit greifen konnte, um den faulen Tag zu beginnen, war eine Stunde vergangen.

Was sagt das über mich aus? Ich faulenze ganz falsch!

Andere Charaktere greifen möglicherweise als erstes zum Telefon oder zur Zigarette, werfen eine Schmerztablette ein oder malen sich schnell ein komplettes Gesicht, ehe sie den Tag beginnen. Vielleicht meditieren sie auch oder gehen hinaus in den Garten, Hühner füttern. Möglicherweise gibt es keine Küche, sondern nur Kaffee aus der Bäckerei auf der Ecke. Und einige Figuren gehen überhaupt erst ins Bett, wenn die Sonne aufgeht.

Manchmal kann man sich all diese lästigen Alltags-Handgriffe beim Schreiben (wenigstens für die Charaktere, wenn schon nicht für das eigene Leben) sparen. Manchmal kann man sie aber auch verwenden, um den Lesenden die Figuren auf eine neue Weise vorzustellen. Vor allem aber muss das, was man in solchen Situationen über die Figuren erfährt, zu dem passen, was man in actionreichen Szenen über sie erfährt. Es muss sich aber nicht unbedingt mit dem decken, was sie von sich selbst erzählen. Ich behaupte von mir selbst ja auch, ich hätte den Haushalt ganz gut im Griff. (HUST.)

Hast du mal darüber nachgedacht, was deine Lieblingsfigur morgens nach dem Aufstehen wohl als erstes tut?

Spooooooooooky!!!

Auf einer Abtropffläche aus Edelstahl steht eine schwarze Tasse mit einem Arbeiterskelett, das auf einer Mondsichel Pause macht. Dahinter, in einem Köcher aus Metall, tropfen zwei Spatel mit Spinnen-Aufdruck ab. An der Wand lehnt ein Schneidebrett, auf dem man verschiedene Totenköpfe in hell auf Grau und Blau sieht. Am Bildrand Radieschen.
An die Küchenarbeit!

Der Herbst ist da, und es wird unheimlich! Möglicherweise bin ich heute in einem Wohlfühlwarengeschäft ein wenig eskaliert – jetzt haben wir saisonal angemessene Tassen und Schüsseln, Handtücher und Katzenspielzeug. Ich habe keine Selbstkontrolle, wenn es um Halloween geht! Wenigstens kann ich mir einreden, dass ich das ja alles dringend für meinen Geburtstag brauche. 🎃

Vorwärts!

Manchmal habe ich superdurchdachte und verplante Tage, mit festen Schreibzeiten und Tageszielen, die alle erreicht werden, und diesem Gefühl von „Accomplishment“, wenn ich Abends ins Bett gehe.

Aktuell sieht es meist eher so aus, dass ich wie wild mit allen acht Armen rudere, um von allem, was getan werden muss, wenigstens ein bisschen zu schaffen. Und dann sitze ich nach Mitternacht auf dem Sofa und tippe einen Blogbeitrag, der eigentlich total organisiert und wohldurchdacht und natürlich wunderschön ausformuliert sein sollte, damit niemand denkt, ich sei tot. Das Manuskript hat Verlustängste, weil es konstant vernachlässigt wird, die Kater haben den großen Aufstand gestartet und der Mann versucht sich zu erinnern, ob er nicht irgendwann mal mit einer Frau zusammengezogen ist, die regelmäßig gesunde Mahlzeiten kocht.

Das Leben ist halt nicht immer so, wie wir uns das denken.

Ist auch gar nicht so schlimm.

Hauptsache, wir machen weiter.

Über die Alternative denken wir am besten gar nicht nach.

Vorwärts!

Von Flöhen und Märkten

Magst du Flohmärkte auch so sehr wie ich? Es ist einfach immer wieder spannend. Nicht so sehr, welche Schätze man findet, sondern vor allem, wovon Leute sich trennen. Das bedeutet nämlich auch, dass sie die Dinge, die sie jetzt so dringend loswerden wollen, irgendwann mal unbedingt haben mussten (oder geschenkt bekommen haben). Deswegen mag ich auch die echten Gebrauchtmärkte lieber als die semiprofessionellen Märkte, auf denen man vor allem günstiges Stückgut in neu bekommt. Was kann ich sagen? Als Autorin bin ich nun einmal besonders neugierig, und nirgends sonst kriegt man soviel Einblick in fremde Haushalte wie auf dem Flohmarkt.

Deswegen war ich am Samstag auch unterwegs. Es gibt in Bonn nämlich achtmal im Jahr, und zwar von Frühjahr bis Herbst jeweils am dritten Samstag im Monat, den Rheinauenflohmarkt. Der gehört angeblich sowohl zu den schönsten als auch zu den größten Flohmärkten Deutschlands, und er ist für mich sogar mit dem Fahrrad gut zu erreichen. Ich glaube, ich habe es noch nie geschafft, wirklich den ganzen Markt abzulaufen. Irgendwann ist immer die Energie auf und der Fuß lahm, dann brauche ich dringend einen Kaffee und eine Portion Backfisch.

Meist kehre ich ohne besondere Ausbeute vom Flohmarkt nach Hause zurück. Wir haben eh schon genug Kram herumstehen. Aber Büchern kann ich (natürlich) nur schwer widerstehen, und manchmal findet man etwas, von dem man bis zu dem Augenblick gar nicht wusste, dass man es brauchen könne – einen hübschen Wenderock aus Indien oder die perfekte Holzente. Oft halte ich Ausschau nach Dingen, die ich für Bastelprojekte brauchen könnte. Aber ja, ein Buch ist eigentlich immer drin.

Als Kind habe ich das eine oder andere Mal auch auf Flohmärkten verkauft, aber das wurde mir immer schnell langweilig.

Wie stehst du zu Flohmärkten? Yay oder nay? Stöberst du gern oder ist das alles nur gigantische Zeitverschwendung? Gehörst du vielleicht sogar zu den verkaufenden Personen?

Streiten will gelernt – und geübt – sein

Der Mann und ich haben ein Luxusproblem: Wir diskutieren und streiten gern und ausdauernd – aber selten über Beziehungsthemen, und eher z.B. über Politik. Das kann sich dann schon über Stunden hinziehen, wir graben Quellen für unsere Standpunkte aus und vergleichen Statistiken. In manchen Themengebieten bemühen wir Zitate und analysieren die genau darauf, was da denn jetzt steht/gesagt wurde und wie verlässlich die Quelle ist.

Bei Dingen, die uns persönlich betreffen, streiten wir vielleicht zweimal im Jahr. Gut, ab und zu diskutieren wir, aber alles, was sich in weniger als zehn Minuten friedlich ausräumen lässt, qualifiziert für mich nicht als Streit.

Gestern beispielsweise haben wir auf Netflix „Unser Vater Dr. Cline“ geschaut und über die Motive der verschiedenen Beteiligten diskutiert, auch wohl hitziger. (Details zum Fall, wenn du interessiert bist, gibt es beispielsweise hier.) Dadurch zieht sich das Schauvergnügen durchaus in die Länge, weil wir immer wieder pausieren, um zu reden, aber ich finde es wirklich faszinierend, verschiedene Blickwinkel zu vergleichen.

Gerade angesichts der Tatsache, wie unterschiedlich er und ich in den meisten Dingen sind, wundern Familie und Freunde sich öfter mal darüber, wie selten wir streiten. Ich glaube, wir haben beide das Glück, dass

a) jede*r glaubt, er*sie sei eigentlich etwas schlauer als der*die andere und

b) wir sehr geduldig miteinander umgehen.

Egal, ob er mal wieder Tassen und Flaschen auf dem Wohnzimmertisch hat stehenlassen oder ich mein Handarbeitszeug im halben Wohnzimmer ausbreite, nach fünfzehn Jahren haben wir viel Toleranz für die Machen der anderen Person entwickelt. So weiß ich, dass er vor allem früh am Tag Probleme mit der Pünktlichkeit hat, und er erkennt die Anzeichen dafür, dass ich zu müde bin und jeden Augenblick quengelig werden kann (üblicherweise ab spätestens 21 Uhr).

Natürlich gibt es Dinge an der jeweils anderen Person, die uns grandios nerven, und es ist wichtig, auch mal Dampf abzulassen. Aber dafür hat man ja Freund*innen, bei denen man schimpfen kann, oder zur Not das Notizbuch für kleinere Rants. ^^

Einige Leute behaupten, ich sei zu harmoniebedürftig und ein „Pushover“, und vielleicht haben sie damit auch Recht – ich vergeude ungern Energie auf Streit, wenn ich mit weniger Aufwand eine Sache anders richten kann. Andere Leute behaupten ja, Streit halte die Leidenschaft jung. Wie ist das bei dir?

Probier’s mal mit Gemütlichkeit!

Ein schwarzweißer Kater hat es sich auf einem grauen Sofa auf einer rosa gestreiften Häkeltasche gemütlich gemacht und schaut aufmerksam auf die Person hinter der Kamera.
Symbolbild

Das war dringend nötig. So viele Dinge, die ich dringend zu erledigen hätte – so viele Dinge, die ich tun oder vorbereiten will! Stattdessen habe ich den Sonntag auf dem Sofa verbracht, ungesundes Zeug gegessen, endlich(!!!) „Stranger Things“ aufgesehen und ein Häkelprojet beendet, das schon seit Wochen hier liegt. Die Aufgaben laufen ja nicht weg, nicht wahr?

Das Schwiegersohnlächeln

Vor einigen Tagen bog ich vorschriftsmäßig mit Blinken im Schrittempo an der dafür vorgesehenen Stelle auf den Parkplatz unseres lokalen Supermarktes ein.

Ein junger Mann, die Nase fest am Smartphone-Bildschirm, lief mir einfach in die Spur, ohne zu gucken.

Er bemerkte mein (bremsendes) Auto, sah auf und knipste ein 300-Watt-Schwiegersohn-Lächeln an.

In dem Moment erkannte ich den jungen Mann.

Er ist der Spitzenkandidat einer konservativen Partei für die anstehende Landtagswahl. Dieses Lächeln sieht man hier aktuell auf gigantischen Plakatwänden.

Und um ehrlich zu sein: Leute, die auf Kommando so lächeln können, sind mir ein wenig unheimlich. Echtes Lächeln ist immer ein wenig „goofy“, mit Falten und Zähnen und einem etwas dusseligen Gesichtsausdruck. Das Schwiegersohnlächeln muss man üben. Wahrscheinlich kann man Personal-Schwiegersohnlächeln-Trainer bestellen. Wer so lächelt, verfolgt einen Zweck und will bitte unbedingt sympathisch rüberkommen.

Wie so ein Staubsaugerverkäufer.

Wie dem auch sei, er ging beiseite, ich habe ihn nicht überfahren und ihn später im Vorbeigehen am Wahlwerbestand seiner Partei vor dem Supermarkt gesehen. Da war das Smartphone natürlich verschwunden, das Lächeln festgetackert und mindestens drei ältere Damen sehr eingenommen von der ehrlichen, warmherzigen Art des jungen Mannes, der doch bestimmt auch sehr kompetent sei.

Möglicherweise ist er das sogar.

Möglicherweise hat er diesen Eindruck aber auch nur trainiert, wie das Schwiegersohnlächeln.