Von der Fantasie zum Produkt

Manche Produktentwickler sollten die Namen der wunderbaren Dinge, die sie auf die Menschheit loslassen, dreimal laut aussprechen, ehe sie sie in den Katalog schreiben.

Oder einmal anders – ganz ehrlich: Was stellt ihr euch unter einem „kleinen Zaubermeister“ vor?

Möglicherweise seid ihr ja nicht so abgrundtief verdorben wie ich, aber als ich vorhin in einem Blog übers Brotbacken las: „… und jetzt öle den Kleinen Zaubermeister vorsichtig ein“, dachte ich NICHT an eine Brotbackform. Um ehrlich zu sein, ich war fest davon überzeugt, ich sei falsch abgebogen und hätte einen Anwärter auf den „Bad Sex in Fiction“-Award vor mir. (Das ist eine augenzwinkernde Auszeichnung für schlecht geschriebene Sexszenen in der Literatur.) Sie ölte den kleinen Zaubermeister vorsichtig ein, spürte seine ganze Länge in ihren vor Begierde zitternden Händen … Kommt schon, begebt euch ruhig auf mein Niveau herunter, es ist spaßig hier unten!

Gut, andererseits – was weiß ich schon von Marketing? Immerhin wissen wir jetzt alle, was der „Kleine Zaubermeister“ ist. Und dank dieses eindrucksvollen Missverständnisses werden wir es auch so schnell nicht vergessen. ^^

Enthusiastische Zustimmung

Das wird ein wenig delikat. Mal schauen, wie rot meine Ohren beim Schreiben werden.

Wisst ihr, was ich in vielen Büchern mit „Erwachsenencontent“ vermisse? Die Gespräche. Die peinlichen Situationen. Das Einholen von Zustimmung.

Klar, niemand will so alltägliches Zeug lesen. Gibt ja auch nicht besonders viele Bücher über den Abwasch (geht und plant eine Horrorstory über genmanipulierte Spülschwämme). Und diese semipeinlichen Gespräche sind ja auch nicht gerade erotisch, oder?

Ich glaube, da binden wir uns selbst einen Bären auf. Natürlich kann es romantisch und/oder sogar erotisch sein, auszuloten, was alle Beteiligten mögen und ablehnen. Wie man das macht – tja, ich bin keine Erotikautorin, aber wenn man Leser*innen glauben lassen kann, dass es Drachen gibt, kann man auch erotische Zustimmung ansehnlich verpacken. Es muss ja gar keine lange Verhandlung mit Vertrag und Kleingedrucktem in dreifacher Ausfertigung sein. Ein einfaches „Darf ich …“ oder ein „Zeig mir, was du willst“ reichen mir für den Anfang vollkommen.

Klar ist es verlockend, einen Partner zu schreiben, der auf magische Weise alles genau so macht, wie man sich das wünscht, aber mal im Ernst – wann passiert das denn? Wohl eher selten. Und es kann durchaus Spaß machen, im Vorfeld über das zu sprechen, was man tun möchte. Das nimmt auch die Unsicherheit aus der Situation. Schließlich haben unsere Charaktere es mit uns als Autor*innen doch schon schwer genug. ^^

Mir gefällt die Idee, dass Bücher die Welt ein bisschen besser machen. Und für mich gehört auch dazu, solche Gespräche zu normalisieren und (vor allem jungen!) Lesenden zu zeigen, wie man sowas angehen kann. Inklusive der Situation, in der ein Charakter zu etwas „nein“ sagt und dieses Nein dann – SCHOCK! – auch akzeptiert wird. Denn im ernst, diese ganzen ultraheißen Bad Boys, die aufgrund irgendwelcher lächerlicher Kindheitstraumata arschig sein müssen und sich nicht daran halten können, wenn ihnen jemand etwas verweigert, bis sie durch Liebe und rosa Glitzer „geheilt“ werden, gehen mir auf den Sack. UND sie sind ein schlechtes Vorbild – Leser*innen glauben dann plötzlich, so müsse wahre Romantik aussehen, und stellen den Unsinn nach – oder schlimmer noch, sie akzeptieren, wenn Leute sich über ihr „Nein“ hinwegsetzen, denn schließlich ist das ja ach so romantisch!

(Ältere Autorin fühlt, wie ihr ein wenig schlecht wird.)