Schreib-Beef: Wie professionell muss ein Buch sein?

Seit ein paar Tagen tobt auf Twitter, meiner liebsten kurzweiligen SoMe-Plattform, eine schwierige Diskussion. Viele Leute fühlen sich angegangen, diskriminiert, beleidigt und/oder missverstanden. Und ich kann, ehrlich gesagt, beide Seiten ein wenig verstehen. Deswegen setze ich mich hier mal länglich zwischen alle Stühle und verscherze es mir potenziell mit allen.

Wenn ich den Überblick richtig im Kopf habe, fing es an mit einer Autorin, die ein SP-Buch (also eines, das ohne Verlag veröffentlich wurde), kritisierte. Sie nannte weder Autor*in noch Titel, aber unterlegte ihre Kritik mit Zitaten und Beispielen. Unter anderem ging es um ein unvollständiges Impressum, einen merkwürdigen Disclaimer, der im Widerspruch zum Buchinhalt stand, und grammatische Probleme. (Wer das nachlesen möchte, kann das aktuell hier tun. Ich fasse aber auch noch kurz zusammen.)

Dieser Kritik, soweit ich sie gelesen habe, stimme ich erst einmal zu. Die kritisierende Autorin hat gute Argumente. Sie brachte auch Vorschläge, wie man solche Dinge im eigenen Buch vermeiden könne – etwa durch ein professionelles Lektorat und Korrektorat sowie Recherche zu Gestaltung und juristischen Dingen.

Andere Leute fühlten sich diskriminiert – weil nicht jeder das Geld für professionelle Dienstleistungen hat; weil manche Eigenschaften (im weitesten Sinne) wie Lernschwächen oder Neurodivergenzen es schwierig machen, den üblichen Wegen zu folgen; weil es beim Schreiben mehr um Kunst gehen solle und weniger um Regeln. Auch diese Kritikpunkte kann ich gut verstehen.

Was ich weniger verstehen kann, sind die persönlichen Beleidigungen, die da schnell flogen (oder die einige Leute sich selbst aufluden, weil sie einen persönlichen Angriff lasen, wo es wahrscheinlich – was weiß ich denn, was in den Köpfen anderer Leute vorgeht??? – keinen gab).

Mal schauen, wie wir das alles dekonstruieren können.

  1. Korrekte Sprache, inkl. Grammatik: Es gibt sprachliche Regeln. Die sind wichtig, weil Sprache letztendlich ein Zeichensystem ist, auf dass Menschen sich geeinigt haben, um zu kommunizieren. Viele Aussagen kann man auch noch verstehne, wenn es geringe Abwaichugnen gibt. Allerdings werden Texte schwieriger zu verstehen, wenn die Fehlerquote steigt, und je anstrengender es ist, etwas zu lesen, desto weniger Vergnügen und Entspannung bietet der Text. Da das Lesen von Geschichten idealerweise ein schönes Hobby ist, sollten solche unnötigen Anstrengungen meiner Meinung nach weitestgehend vermieden werden. Mir ist klar, dass ein fehlerfreies Buch ungefähr so oft vorkommt wie ein Einhorn, das im Lotto gewonnen hat. Als schreibende Person sollte man sich trotzdem die größtmögliche Mühe geben, die sprachlichen Regeln zu lernen, um sich möglichst präzise ausdrücken zu können. Da sind auch Lernschwächen etc. keine gute Ausrede – ich bin selbst von Dyslexie betroffen (weswegen ich sprachlich falsche Texte nur mit größter Mühe lesen kann!), was ihr allerdings in meinen eigenen Texten nicht merkt. Dazu gehört harte Arbeit. Dinge wie Kommasetzung oder die korrekte Verwendung von Zeiten kann man lernen und üben. Je besser man in diesen grundlegenden Fähigkeiten ist, desto eher kann man sich beispielsweise ein Korrektorat sparen. Damit kommen wir zu …
  2. Lektorat und Korrektorat: Wenn ihr nicht genau wisst, was das ist – bei einem Lektorat klopft eine bösartige sehr genau lesende Person einen Text auf strukturelle und inhaltliche Schwächen ab. Gibt es Logikfehler? Verschwindet ein Bleistift von einer Szene zur nächsten? Wiederholen bestimmte Momente sich oft? Etc. pp. Beim Korrektorat wird später der endgültige Text auf sprachliche Fehler und Schwächen abgeklopft. Das sind Dienstleistungen, die für Selfpublisher*innen zu verschiedenen Preisen von mehr oder weniger professionell vorgehenden Personen angeboten werden. Sogar bei günstigen Preisen steht auf der Endrechnung bei einem Roman schnell ein vierstelliger Betrag. Den hat nicht jede*r von uns eben zuhause rumliegen und übrig – vor allem dann nicht, wenn das entsprechende Buch diesen Betrag höchstwahrscheinlich kurzfristig nicht einspielen wird.
  3. Professionalität in der Kunst: Das ist ein anderes Ding. Dieses Sprichwort, dass Kunst angeblich von „können“ stammt, hasse ich heiß und innig. Ist so eine Grundsatzfrage, denn diese Denkweise impliziert, dass nur die Leute Kunst betreiben dürften, die überdurchschnittlich gut in dieser Kunst seien, dass es eine absolute „Güteskala“ für Kunst gebe und dass Kusnt auch immer unter kapitalistischen Gesichtspunkten betrieben werden solle – Lohnt sich das überhaupt? Wir alle kennen die Geschichten von malenden Elefanten, die sich garantiert nicht darum scheren, ob jemand ihre Bilder gut findet – die malen einfach und amüsieren sich dabei wie Bolle. Ist das dann Kunst oder nicht? Wann malt jemand nur ein Bild resp. wann wird jemand beim Malen zum Künstler? Da hängt irgendwo ganz tief verschwurbelt so ein Genie- und Elitebegriff drin, der macht mir unbehaglich.

Gut, aber wie lösen wir diese Dinge denn jetzt?

Erst einmal ein Geständnis: Wenn ich selbst veröffentliche, nehme ich als einzige professionelle bezahlte Dienstleistung die Covergestaltung in Anspruch. Nicht, weil ich in allem anderen so genial wäre, sondern weil ich einfach keinen Dukatenscheißer daheim habe und mein Schreiben sich selbst finanzieren (und idealerweise sogar lohnen) soll. Optische Gestaltung von Dingen fällt mir generell schwer, deswegen war das die erste Baustelle, die ich frohen Herzens Fachmenschen überlassen habe. Lektorat und Korrektorat haben meine Texte nur, wenn ein Verlag dahintersteckt, der genau das leistet. Könnten sie mit den entsprechenden Hilfestellungen besser sein? Eventuell. Möglicherweise. Ach, was sag ich – wahrscheinlich. Sind sie auch ohne lesbar? Das muss jemand anders entscheiden (aber die Rückmeldungen sind überwiegend positiv und eventuelle Kritik meist berechtigt). Meine nächste Baustelle, auf der ich dazulernen will, ist der Buchsatz, aber dieser Plan hat gerade nicht die höchste Priorität. Kommt schon noch.

Und wie schaffe ich das also?

Alles, was auf Sprachebene läuft, habe ich mir beigebracht, und gelegentlich lerne ich sogar heute noch etwas Neues. Ich habe ein paar Tricks, um gängige Expressionen der Dyslexie abzufangen, und muss an der Stelle eben härter arbeiten als manch andere Person. Mit der Zeit wird es einfacher. (Das ist meine persönliche Erfahrung, andere Menschen mögen das anders empfinden.) Natürlich könnte ein Korrektorat wohl noch Dinge finden, aber ich gebe mir härteste Mühe, einen einigermaßen sauberen Text zu produzieren.

Wenn die Deadline mich jagt, mache ich mein eigenes Lektorat. Geht nicht, sagen einige. Geht doch, sage ich – wenn man ein wenig vergesslich ist und sehr gründlich (und selbstkritisch!) arbeitet. Am liebsten verwende ich Ausdrucke und Listen, um mich zu organisieren. Falls mehr Zeit ist, wende ich mich gerne an meine Testleser, die allerdings auf freiwilliger Basis arbeiten (ich bezahle sie in Dankbarkeit und Kinkerlitzchen) und natürlich auch kein professionelles Lektorat ersetzen sollen. Ab und zu tausche ich Hilfestellungen mit anderen Autor*innen oder hole mir Rat.

Und endlich zur Professionalität – das Internet ist voll guter und gutgemeinter Ratschläge. So lästige Dinge wie die Impressumspflicht, Finanzamtquerelen und Do/Don’t-Listen für öffentliche (SoMe-)Auftritte als Autor*in sind von viel klügeren Leuten als mir zuhauf besprochen und analysiert. Natürlich muss man alles ein wenig vorsortieren und kritisch lesen, einige Dinge ausprobieren und wieder verwerfen. Glücklicherweise wird es dank dieser Fülle an leicht zugänglichen Informationen immer einfacher, auch als Laie mit begrenzter Zeit und Geduld ein halbwegs professionell aussehendes Buch zu präsentieren. Und falls mir später auffällt, ich hätte etwas besser machen sollen – gut, dann mache ich es beim nächsten Buch besser. (Ich halte mich selten damit auf, bereits veröffentlichte Bücher noch einmal – und noch einmal und noch einmal – zu überarbeiten. Wasser auf dem Weg zur Küste und so.)

Meiner Meinung nach ist es letztendlich egal, wie ihr euer bestmögliches Buch erreicht. Wichtig ist nur, dass ihr euch klarmacht, welche Möglichkeiten es gibt, welche Schritte unternommen werden sollten – und die dann in irgendeiner Weise umsetzt, anstatt eure Idee von eurer eigenen künstlerischen Genialität als Schutzschild gegen Lernprozesse und Kritik einzusetzen. Was ihr nicht als Service einkaufen könnt/wollt, müsst ihr eben selbst leisten, so gut es geht. Und wenn ihr etwas nicht könnt, müsst ihr rausfinden, wie es geht. Die Leute, die euer Buch am Ende kaufen, interessieren sich nämlich im ersten Moment einen lauwarmen Pups für die Hürden auf eurem Weg zum Buch. Die gucken sich nur das Buch selbst an und entscheiden dann, ob sie ihm (und damit euch) eine Chance geben oder nicht.

(Es ist übrigens auch völlig in Ordnung, nur zum Vergnügen zu schreiben und zu veröffentlichen, ohne sich stunden- und jahrelang selbst zu kasteien. Das oben gesagte gilt in erster Linie für Leute, die an sich selbst den Anspruch haben, auf einer professionellen Ebene Bücher zu präsentieren.)