Von Büchern, die wir schon immer lesen wollten/sollten und irgendwie doch noch nicht gelesen haben

Jeder kennt sie. Bücher, die man „gelesen haben muss“. Die zum Bildungskanon gehören. Bücher, bei denen es eine Art Auszeichnung ist, wenn man sie gelesen hat.

Das sind die Bücher, bei denen einige sich darüber profilieren, wie toll und grandios sie diese Bücher doch fanden, während andere sich darüber profilieren, dass diese Bücher doch total überbewertet seien.

Und ich höre mal auf, von „diesen Büchern“ zu reden.

Denn ich habe mit „diesen Büchern“ ein Problem.

Natürlich gibt es Bücher, die so unglaublich sind, dass sie ihren Platz auf dem zeitlosen Altar literarischer Anbetung verdient haben. Meiner Meinung nach stehen viele Bücher aber nur dort, weil eine lange Tradition von Elitemitgliedern einander – und uns – immer wieder versichert, wie bedeutend „diese Bücher“ (sie hat es schon wieder gesagt!) doch seien. Uns wird also eine Vorauswahl serviert, auf die wir herzlich wenig Einfluss haben.

Eigentlich sind „diese Bücher“ der kleinste gemeinsame Nenner der sogenannten „Bildungselite“ … und mal im Ernst, was die so denken, ist nicht unbedingt repräsentativ.

Inzwischen verbringe ich sehr viel Zeit damit, die Bücher zu lesen, die mir von Leuten empfohlen werden, deren Geschmack ich vertraue. Und ob das dann „Klassiker“ sind oder aktuelle Bestseller oder kleine, auf Eichenblättern handgedruckte Mikroliteratur (und jetzt möchte ich so etwas unbedingt einmal basteln, die Götter mögen mir beistehen!), ist nebensächlich. Wenn eine*r meiner Buchspezialist*innen sagt: „Hier, dieses Buch ist toll, weil …“, schaue ich mir das Buch an. Und wenn es dann nicht ganz furchtbar aussieht, lese ich es auch. Oder versuche es wenigstens.

Das bedeutet natürlich, dass ich auf den ganzen elitären Cocktailparties der gehobenen Klasse nie meine pointierte Meinung über „Krieg und Frieden“ kundtun kann.

Aber ich habe viel mehr Spaß beim Lesen. Und darauf kommt es letztendlich an, nicht wahr?

Früher war alles besser – Klassiker lesen

Wie ich ja schon das eine oder andere Mal erwähnt habe, lesen wir mit dem Nornennetz im Moment in einer Lesechallenge wichtige Bücher berühmter Autorinnen – unseren „Hidden Powers“ Nornenschuber. Im März war „Ronja Räubertochter“ dran, danach „Die Farbe Lila“ und dann „Pride and Prjudice“. Diesen Monat ist es „Orlando“ von Virginia Woolf. (Details findet ihr hier.)

Viele dieser Bücher gelten als Klassiker. Ich habe sie noch nicht alle gelesen – und ich muss sie gar nicht alle gut finden. (P&P gefällt mir auch im dritten Anlauf nicht besonders, aber ich verstehe, warum andere es mögen.) Aber oft gibt es eben einen guten Grund dafür, dass etwas ein Klassiker geworden ist. Deswegen lohnt es sich meiner Meinung nach, gelegentlich über den Tellerrand hinaus auf die Klassiker zu schielen und vielleicht den einen oder anderen zur Hand zu nehmen.

Allerdings macht es einen nicht automatisch zu einem besseren Menschen, wenn man verkündet: „Also, ich lese ja kein Buch, das nach 1920 veröffentlicht wurde.“ Das macht einen nur … ja, zu was? Auf jeden Fall zu einer Person, der viele gute Bücher entgehen.