Umweltschutz am seidenen Faden

Ich bin ja schon etwas älter.

In meiner Jugend war unter umweltaffinen Personen Seide als Material eher verpönt, weil bei der herkömmlichen Herstellung die Raupen des Maulbeerspinners, welche sich in Kokons aus Seide verpuppen, in großen Mengen sterben.

Jetzt habe ich mich neulich mal ein wenig durch verschiedene Umweltforen und -beiträge gelesen und war überrascht: Seide ist wieder in Mode. In meinem konkreten Beispiel als Alternative zu Nylon, wenn es um Zahnseide geht.

Ganz vorn ist da die Plastikfrei-Bewegung bei. Und ja, Plastik ist nicht besonders schön, wenn es im Müll landet und die Natur verschandelt. Es ist auch nur begrenzt recyclingfähig und zersetzt sich unter normalen Umständen sehr langsam. Gerade für so Dinge des Alltagsgebrauchs wie Zahnseide, die man ja im Jahr meterweise verbraucht (oder wenigstens verbrauchen sollte, sprecht mit eurem Zahnarzt), ist es wirklich schön, auf plastikfreie Alternativen auszuweichen.

Ob ich dafür gezielt den Tod von Tieren in Kauf nehmen möchte?

Hmmm, eher weniger.

Nun gibt es einige Alternativen. „Peace Silk“ beispielsweise ist Seide, die aus den Kokons geschlüpfter Maulbeerspinner gewonnen wird. Ob man Zahnseide aus „Peace Silk“ in Deutschland kriegt, weiß ich nicht – und falls ja, ist das ja auch eine Frage des Geldbeutels. Oder man kann „vegane Zahnseide“ kaufen, zum Beispiel auf Basis von Maisstärke. Die ist auch teurer als das herkömmliche Nylonprodukt, außerdem nicht unbedingt kompostierbar oder biologisch abbaubar, also auch wieder ein Fall für den Hausmüll.

Die perfekte Lösung habe ich bei all diesen Dingen noch nicht gesehen. Manche Menschen empfehlen Rosshaar, falls man denn ein Ross hat, dem gelegentlich ein Schweifhaar ausgeht. Aber wie gerupft sähen die Pferde der Welt aus, wenn plötzlich alle zahnhygienebewussten Leute auf Schweifhaar umstiegen?

Auf jeden Fall, und darauf wollte ich ursprünglich hinaus, ist es spannend zu sehen, wie sich die Sichtweise auf manche Umwelt-Themen im Verlauf der Jahre und Jahrzehnte verändert. Welche Schwerpunkte werden wie gewichtet? Gibt es neue Erkenntnisse oder Materialentwicklungen, die bestimmte Sorgen überflüssig machen? Und stimmt es wirklich, dass das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft tendenziell wächst? Schön wäre das ja.

Was ist dein bevorzugtes kleinstes Übel in dieser ganzen Angelegenheit?

Achtbeinige Freaks!!!

Es ist reiner Zufall, dass wir gerade diese Woche den Film „Arac Attack“ (Original: Eight Legged Freaks) gesehen haben, ich schwör! Auf jeden Fall drang aus dem Badezimmer vor wenigen Minuten ein nicht ganz damenhafter Schrei. Und das, obwohl er von mir kam! In dem Korb, in dem wir unsere 30-Grad-Wäsche sammeln, hatte ich nämlich etwas mit Beinen entdeckt, das definitiv keine Stumpfhose war. Das Krabbeltierchen hatte wahrscheinlich Glück, dass es nicht mit den Klamotten in der Waschmaschine gelandet war. Andererseits – und nu?

Wer mich kennt, weiß: Ich habe Angst vor Spinnen. Da Spinnen da allerdings nichts für können, haue ich sie in den meisten Fällen nicht platt, sondern entlasse sie in die Freiheit außerhalb unserer Wohnung, die ihnen eh nicht gefallen würde – allein diese Wandfarbe! Wer würde sich schon weiß aussuchen??? Da sieht man doch sämtliche Fußspuren drauf!

Der Mann reagierte auf meinen Schrei auf die vertraute Art – er brachte Glas und Pappe und leuchtete mir die Ecken aus, damit ich besser sehen könne, wer mir da ins Gesicht springt. Kurz darauf hatte ich unsere kurzfristige Mitbewohnerin unter (Glas-)Dach und Fach, sorgfältig mit Pappe versiegelt, und mehrfach fotografiert. Dann brachten wir sie hinunter vors Haus.

(Normalerweise entlassen wir Viecher auf den Balkon, aber dafür war diese uns zu lebhaft und so.)

Und jetzt muss ich sagen: Das Biest hatte Glück. Nämlich insofern, als dass ich sie erst gegooglet habe, NACHDEM wir sie rausgesetzt hatten. Das Internet verriet uns nämlich, dass es sich bei der Nicht-so-Kleinen vermutlich um eine sogenannte Nosferatu-Spinne (Zoropsis spinimana) handelt. Die sind in Deutschland noch gar nicht so lange heimisch, erst seit etwa 2005. Und sie neigen dazu, Menschen zu beißen. Das finde ich gar nicht cool, muss ich sagen. Was soll ich mit Spinnensuperkräften? Ich habe Höhenangst und würde mich ständig vor mir selbst erschrecken. Und die Ernährung ist auch etwas einseitig …

Sei dem wie auch immer, einige Leute vermuten, dass die Wanderung der Nosferatu-Spinne gen Norden mit dem Klimawandel zu tun haben könne, denn eigentlich ist sie in wärmeren Mittelmeergefilden und in Nordafrika heimisch.

Ob diese Info Leute überzeugt, sich endlich stärker für den Klimaschutz einzusetzen?

Servicemeldung: Nachhaltigkeit

Ja, ich weiß, das ist so ein Modewort. Aber lasst mich ausschreiben.

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Das hier ist nicht das älteste Handtuch, das wir haben. Es ist … eben rechnen … fast alt genug für den Führerschein (im August ist es soweit, sollen wir eine Party schmeißen?) und war ein Dankeschön von der Wäscherei, in der ich zwischen Schule und Studium gejobbt habe. Eigentlich war ich zwar fürs Geld da, aber so ein Handtuch ist auch ganz praktisch – vor allem, wenn man gerade seinen Studentenhaushalt vorbereitet.

Keine Sorge, ich habe es zwischendrin gewaschen.

Natürlich sieht es ein wenig ranzig aus. Es ist nicht mehr komplett symmetrisch, und irgendwann ist jemand (hust!) auf die Idee gekommen, schnell ein wenig schwarze Schuhcreme wegzuwischen, das kann man bestimmt auswaschen … na ja, das Handtuch trocknet trotzdem. Wir bieten es eben nicht mehr Gästen an.

Die ältesten Handtücher, die wir haben, habe ich übrigens von meinem Vater geerbt, als ich ausgezogen bin. Die haben mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel (aber noch keine dreiundzwanzig, so genau kann ich es eingrenzen). Und es gibt ein paar Waschlappen und kleine Handtücher, die meinem Großvater gehört haben. In unserem Küchentuchregal sieht es ähnlich aus. Da ist wenig Hübsches, aber solange es tut, was es soll, gibt es wenig Grund, etwas zu ersetzen.*

Aber ich bin ja sowieso verrückt, ich wasche auch Küchenschwämme so lange, bis sie fast zerfallen, und verwende sie eben für Terrarium, Bad, … weiter. (Zum Spülen verwende ich Spüllumpen, wie es sich gehört.) Außerdem in meinem Besitz: Wiederverwendbare Abschminkpads und Baumwolltaschentücher.

Und was mache ich mit den Reichtümern, die ich dadurch spare? Natürlich in Bücher investieren. Die machen auch nachhaltig glücklich.

 

*Mit einer Ausnahme: Vor Jaaahren hatte ich Bettwäsche bestellt, und ein Paar Sets war in nicht ganz passenden Farben geliefert worden. Das eine war mehr so grün, das andere eher gelblich. Nachdem ich mich zehn Jahre jedesmal beim Bettenbeziehen darüber geärgert habe, habe ich die beiden Sets vor einem Monat endgültig in die Altkleidersammlung gegeben. Sonst wäre ich noch völlig verrückt geworden, sagt mein Einhorn.

Noch mehr neumodischer Umweltsch***

Mir ist da noch eine Kleinigkeit zu dem ganzen Umweltgedöns eingefallen, die ich euch beichten sollte – nur der Vollständigkeit halber.

Manchmal bin ich ein schlechter Mensch.

Vor kurzem unterhielt ich mich mit einer Freundin über Make-Up, und sie erzählte mir, dass sie möglichst nichts mehr kaufen wolle, was Mica enthalte, wegen der Abbaubedingungen. Jetzt musste ich erst einmal nachschauen, was Mica ist – Überraschung, ein fancy Wort für Glimmer. Nicht Glitzer-Glimmer – also, indirekt auch, sondern Mineralien-Glimmer. Und wie die meisten hübschen Dinge, die man tief unter der Erde findet, wird Mica/Glimmer unter eher problematischen Bedingungen abgebaut. (Stichwort: Kinderarbeit, Umweltverschmutzung.) Hatte ich ja schon erwähnt, dass Mineralienabbau eines meiner Lieblings-Schimpfthemen ist.

Habe ich mich also gefreut, dass wieder jemand auf dieses Thema aufmerksam geworden ist? Ja … aber erst mit Verspätung. Im ersten Moment dachte ich mir nämlich: Did I fucking stutter? Hört mir eigentlich irgendwer zu, wenn ich rante? Braucht es zwangsläufig ein schickes Logo, damit solche Probleme plötzlich interessant werden? Ich denk mir diesen ganzen Mist doch nicht aus!

Diese Verzögerung bereitet mir ein bisschen ein schlechtes Gewissen. Aber manchmal ist es anstrengend, wenn man das Gefühl hat, man redet jahrelang gegen Gleichgültigkeit an, und plötzlich stolpert jemand andernorts über das Thema und findet es plötzlich ultrarelevant. Na ja, letzten Endes ist es egal, woher die Bemühung für die Umwelt kommt. Hauptsache ist doch, sie kommt.

Und ich schwöre, ich werde mich zukünftig schneller freuen.

Dieser neumodische Umweltsch***

… ist gar nicht so neumodisch, ist das den Leuten eigentlich klar?

Wenn ich mich mit beliebigen Menschen unterhalte, scheint dem nämlich gar nicht so zu sein. „Plötzlich“ haben „diese jungen Leute“ die Umwelt für sich entdeckt, natürlich aus dem Nichts heraus und ohne Ahnung von dem, was sie da eigentlich tun. Sonst wären sie nämlich vernünftige Erwachsene mittleren Alters, die abends vor der Tagesschau einschlafen.

Gut, vielleicht polemisiere ich. Nur ein bisschen.

Denn was einigen Leuten nicht klar zu sein scheint – diesem „plötzlichen Umwelthype“ gibt es schon seit Jahrzehnten. Im Moment bekommt er nur wieder mehr mediale Aufmerksamkeit, diesen „naiven jungen Leuten“ sei Dank. Wann wurde das letzte Mal soviel über Umweltprotestaktionen berichtet wie jetzt? Ich glaube, das waren die frühen Achtziger. Später lief Umwelt immer mal wieder, wenn gerade niemand Wichtiges einem anderen Wichtigen die Hand geschüttelt hat, so am Rand mit – Atomkraft, Ozonloch, Haarspray, klingelt da was?

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Foto von RawFilm, gefunden auf Unsplash

Für die Proteste in den frühen Achtzigern war ich noch zu jung. Damals interessierte mich höchstens der Inhalt meiner eigenen Windel (bio!). Später war ich leidenschaftlich gegen Tiertransporte (bis heute), gegen Atomkraft (zwiegespalten*), für mehr Radfahren (ich habe nichtmal ein Fahrrad, dafür ein ÖPNV-Abo), gegen Artensterben (logo) und generell gegen die Ausbeutung der Umwelt (sowieso). Als die ersten Bioprodukte aufkamen, versuchte ich, meine Eltern davon zu überzeugen, wie gut das sei, auch wenn bei den Labels immer mal wieder gelogen werde. Meine Eltern hatten drei Kinder zu ernähren und weder Zeit noch Geld für „so einen Quatsch“. Ich schrieb Protestbriefe, zeichnete Unterschriftenlisten und versuche bis heute, durch meinen Konsum Einfluss auf Wirtschaft und Politik zu nehmen, soweit meine Mittel es ermöglichen.

Mit quixotesker Begeisterung verbreite ich Informationen über die Schäden, die der Abbau von Metallen, Mineralien und „Heilsteinen“ verursacht. Ohne großes Interesse zu generieren, aber mit ungebrochenem Elan.

Wie es bei so „Langstreckenbegeisterungen“ oft der Fall ist, verfolge ich trotz allem realistische und alltagstaugliche Ansätze. Ich gebe mich auch mit Kompromissen zufrieden. Aber wenn mir dann wieder jemand erzählt, diese kompromisslosen „dummen Schüler“ würden ihre Irrtümer schon noch einsehen und zu „vernünftigen Erwachsenen wie uns“ werden, dann schaue ich auf meine eigene Entwicklung zurück und denke mir: Oh ja, bitte, hoffentlich bald.

Und mit ein wenig Glück schauen die jungen Leute in einigen Generationen fassungslos aus einer geretteten Umwelt auf uns zurück und wundern sich, wie verstockt und verbohrt die „Ewiggestrigen“ mal sein konnten.

* Ich glaube, dass Atomkraft diverse Umweltprobleme lösen könnte, wenn sie wissenschaftlich fundiert genutzt und überwacht und stets nach modernsten Erkenntnissen weiterentwickelt würde. Unter keinen Umständen würde ich sie in die Hände von Politikern oder Wirtschaftsbossen legen.