Von kurvigen Wegen und ungeduldigen Menschen

Luftaufnahme: Eine Straße mit Haarnadelkurven schlängelt sich durch einen Wald. Vereinzelt sind Hausdächer zu erkennen.
Foto von Milica Spasojevic, gefunden auf Unsplash

So oder so ähnlich sieht die Straße aus, die von unserem Viertel auf dem Berg hinunter in die Stadt führt. Gut, vielleicht nicht ganz so, aber man kann schon schön Schwung kriegen. Auf jeden Fall: Man kann da schon ungebremst runterfahren, wenn man die Kurven kennt. Die meisten Leute von außerhalb tun das allerdings nicht.

Jetzt bin ich morgens manchmal etwas spät dran, wenn ich mich vor der Arbeit in einer besonders schönen Szene festgeschrieben habe. Und dann ist es natürlich besonders ätzend, wenn vor mir ein „Tourist“ die Straße bergab mit der gebotenen Vorsicht hinunterschleicht.

Früher habe ich dann geflucht und geschimpft und mich nur mit Mühe davon abgehalten, Hupe, Lichthupe und Rammbock gleichzeitig einzusetzen. (Geduld? Hab ich keine Zeit für.) Da ich aber weiß, dass das erstens gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt und zweitens sehr unhöflich ist, übe ich mich in Nachsicht.

Inzwischen habe ich sogar ein eigenes Mantra für die Tage, an denen ich hinter solchen Ortsfremden um die Kurven schleiche:

Vielleicht transportiert der Torte.

In diesem Winkel sind alle TOT! TOT! TOT!

Ich weiß nicht, wie lange er uns erhalten bleibt, aber klickt doch mal probehalber auf diesen Link. Keine Angst, da passiert nichts Schlimmes. Aber das Problem, worauf in dem verlinkten Video hingewiesen wird, liegt mir schon seit langem sehr am Herzen.

Ihr wisst ja, ich bin Gelegenheits-Radfahrerin und Viel-Geherin. Außerdem, auch das habe ich bestimmt schon das eine oder andere Mal erwähnt, bin ich früher oft mit meinem Vater im LKW mitgefahren. Und wenn man in so einer Kabine sitzt, merkt man erst, was man alles nicht sieht.

Der Mann glaubt mir das auch nicht (dem habe ich den Link direkt im Chat geschickt), aber die toten Winkel an LKW und ähnlich verbauten Gefährten (Transporter, Busse, …) sind riesig. Was dort steht/geht/fährt/kraucht, sieht der Fahrer einfach nicht, egal, wie sehr er sich verrenkt. Und in genau diesen Winkeln befinden sich die meisten Leute, über deren tragisches Ableben man anschließend in den Zeitungen liest.

Meist ist das Geschrei groß: LKW von der Straße! Diese rücksichtslosen Fahrradschubser!

Und ich stehe dann immer ein wenig unentschieden daneben, denn mir tun beide leid – der*die Verunfallte und der*die Unfallverursacher*in. Schließlich kenne ich einige LKW-Fahrer, und glaubt mir: Niemand von denen nietet gern Leute um. Was man nicht sieht, kann man gar nicht absichtlich auf die Haube (oder unter die Räder) nehmen.

Meiner Meinung nach sollten alle Leute, die einen Führerschein machen, wenigstens einmal selbst in einer LKW-Fahrerkabine gesessen haben, um die toten Winkel live zu erleben (NICHT, indem sie jemanden überfahren!). Das Video da oben ist die nächstkleinere Möglichkeit, sich das vor Augen zu führen.

Und während es durchaus helfen könnte, alle Fahrzeuge mit noch mehr Fahrassistenzsystemen auszustatten, habe ich zusätzlich eine Bitte an alle anderen Verkehrsteilnehmer: Bleibt aus den toten Winkeln möglichst einfach raus.

Wie ihr die erkennt?

Werft einen Blick in den Rückspiegel des LKW. Wenn ihr dort den Fahrer sehen könnt, kann er euch auch sehen. Ansonsten … rettet Leben, haltet Abstand. Ich schwör, beim Armdrücken mit einem Brummi verlieren alle.

Schützenswerte Investitionen

Dunkelblau-metallic-farbener Fahrradhelm.
Nein, das ist keine ultramoderne Wassermelone.

Als halbe Niederländerin (eigentlich zwei Drittel Niederländerin, darum gibt es von mir auch soviel ^^ ) hege ich ja eine traditionelle Verachtung für Fahrradhelme. Kein Wunder, in einem Land, das komplett platt ist und in dem alle anderen Verkehrsgegnerteilnehmer auch nur mit zwei Rädern und ein wenig Blech bewaffnet sind.

Jetzt lebe ich allerdings nicht in den Niederlanden, sondern in einer Gegend mit minimal mehr Steigung. Und vor allem Gefälle! Steigungen kann man ja hinaufschieben, aber wer ein Gefälle nicht wild juchzend mit weit von sich gestreckten Beinen hinabrast (und innerlich betet, dass der Blödsinn nur ja nicht schiefgehen möge), gibt sich selbst der Lächerlichkeit preis.

Lange habe ich gehadert. Soll ich? Soll ich nicht? Eigentlich ist es ja unter meiner Würde … andererseits: Ich bin nicht hübsch. Und tanzen kann ich auch nicht. Mein Kopf (also das, was drin ist) ist mein schützenswertestes Kapital. Und deswegen trage ich jetzt beim Fahrradfahren artig Helm. Sogar ganz innovativ mit Rücklicht!

Deswegen ist es dann auch nicht schlimm, dass die Farbe etwas dunkler ausgefallen ist.

(Eigentlich wollte ich ja einen rosa Helm, aber der hätte sich mit meiner Gesichtsfarbe gebissen. Schließlich ist Radfahren, wenn man es so wie ich betreibt, nicht nur Fortbewegung, sondern auch Selbstverteidigung und Sport!)

Durch das Fenster der PPNV betrachtet

PPNV ist natürlich der Private Personen-Nah-Verkehr – mit den Öffis zu fahren wird im Moment ja eher nicht empfohlen, wenn man es verhindern kann.

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Photo by Inga Seliverstova on Pexels.com

Und da der Mann gegenwärtig von daheim arbeiten kann, schnappe ich mir für die knapp sieben Kilometer zur Arbeit im Moment morgens das Auto. Ja, eigentlich könnte man die Distanz auch mit dem Fahrrad zurücklegen, aber erstens habe ich keins und zweitens ist da ein fieser Berg mit einer Zwei-Kilometer-Steigung von knapp zehn Prozent, dafür müsste ich erst trainieren – wenn ich denn ein Fahrrad hätte.

Und obwohl ich gerne Auto fahre, vermisse ich die Öffis. Vor allem wegen der jetzt fehlenden Lesezeit. Das geht so schlecht, wenn man selbst am Steuer sitzt. Und Podcasts o.ä. fallen mir beim Autofahren schwer, weil ich mich doch ein wenig auf den Restverkehr konzentriere.

Im Moment bin ich übrigens doppelt so schnell am Büro wie sonst. Die Staus fallen nämlich weg. Schon erstaunlich, wer alles eigentlich nicht auf der Straße sein müsste. Zugegeben, wir auch nicht unbedingt, aber erklär das mal einer dem Chef. Wahrscheinlich sind viele der Leute, die sonst die Hauptverkehrsadern verstopfen, im Home Office. (Das stelle ich mir so vor, weil die Alternative wäre, dass all diese Leute ihre Stelle verloren hätten, das wäre nicht so schön.) Ich bin jedenfalls gespannt, ob diese modifizierte Arbeitsweise – inklusive freier Straßen – nach der Krise beibehalten bleibt. Und ja, dann fahre ich auch wieder mit Bus und Bahn. Irgendwann muss ich die ganzen Bücher ja auflesen, die sich bei mir stapeln.

Teuflischer Individualverkehr!

Wir waren in Köln. Mit dem Auto. Und ich fahre ja gern. Aber ich schwöre, die Hälfte der Fahrzeit ging dafür drauf, die Kölner Verkehrsführung (inklusive mehrerer Baustellen) zu entziffern. Als wir zum dritten Mal laut Navi nur noch zwei Kilometer vom Ziel entfernt waren, war ich drauf und dran, einfach wieder heimzufahren. Immerhin hatten wir einen Ausflug gemacht, und richtig viel von der Welt gesehen!

Meine erste Theorie war, dass Satan persönlich den Kölner Straßenverkehr plant, um sich an den Flüchen der Verdammten, die auf ewig auf diesen Straßen kreisen, zu laben. (Der Mann kennt jetzt ganz neue Schimpfwörter.)

Vielleicht ein bisschen wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Stadt Köln den Straßenverkehr absichtlich so furchtbar organisiert, damit man doch lieber mit dem ÖPNV anreist. Und was soll ich sagen? Es könnte glatt funktionieren.