Als schreibende Person liebe ich Schreibratgeber. Manchmal lese ich sie sogar. Und natürlich durchforste ich auch das Internet, wenn ich prokrastiniere, gerne nach Tipps dazu, wie ich besser werden kann.
Immer wieder finde ich dabei Tipps oder Tricks, wie man das „unweglegbare“ Buch schreibt und Leser langfristig an sich bindet … und da ich auch gerne lese, kenne ich viele dieser Tricks auch von der anderen Seite. Und weißt du was? Die meisten von ihnen machen mich madig.
An oberster Stelle steht dabei der „Cliffhanger“, über den immer wieder gern diskutiert wird. In geringer Dosis eingesetzt, hat er durchaus seine Berechtigung, denke ich, aber so Tipps wie „Lasse jedes Kapitel mit einem Cliffhanger enden, damit die Lesenden das Buch nicht beiseite legen können!“ sind einfach nur ätzend. Möglicherweise nicht für alle, aber ICH MUSS MORGEN ARBEITEN. Am Ende eines Kapitels werde ich das Buch weglegen, das Licht ausmachen und schlafen. (Oder noch ein wenig mit dem Kater spielen, damit er bis zum Morgen Ruhe gibt.) Wenn ich also das Gefühl habe, das die Kapitel keine Sinneinheiten sind, sonder sozusagen willkürlich an der ungünstigsten Stelle beendet werden, nervt mich das. Außerdem, finde ich, zeigt es einen Mangel an Selbstvertrauen bei der schreibenden Person. Wenn die Geschichte und der Schreibstil gut sind, lese ich nämlich das Buch gerne weiter, auch wenn die Charaktere (angeblich ein „no-go“) am Ende eines jeden Kapitels schlafen gehen.
Ebenfalls unnötig finde ich es, konstant „den Einsatz zu erhöhen“. Klar, die Spannung sollte im Verlauf der Geschichte steigen, aber häufig sieht es so aus, dass Situationen immer noch absurder und noch unrealistischer werden – ein höherer Einsatz um jeden Preis! Dann ist nicht nur das Kind schwer krank und das Auto kaputt, sondern am Krankenhaus, wenn man endlich ankommt (auf einem dreibeinigen Muli), gibt es Bombenalarm und der leitende Arzt in der Notaufnahme ist der fiese Ex, der das Kind nur sterben lassen würde, um der Protagonistin einen reinzuwürgen, ohne zu wissen, dass er der Vater des Kindes und möglicherweise auch Halbbruder der Protagonistin ist. Klar, Manche Daily Soaps funktionieren so, aber es gibt einen Punkt, an dem so eine Geschichte nur noch lächerlich wirkt. Extra-Punktabzug dafür, wenn „gigantische Probleme“ sich mit einem einzigen Anruf aufklären ließen oder Figuren aus völlig vorgeschobenen Gründen nicht miteinander reden und das Missverständnis beinahe die Menschheit auslöscht. „Meine Güte, jetzt hätte ich beinahe den roten Weltvernichtungsknopf gedrückt, weil ich dachte, du hasst mich, dabei hattest du nur dein Telefon in der anderen Handtasche vergessen und konntest mir deswegen nicht Bescheid sagen, dass du dich fünfzehn Minuten verspätest!“
Ein zweischneidiges Schwert sind die „sympathischen Charaktere“. Klar, ich lese am liebsten über Leute, deren Motivation ich nachvollziehen kann und mit denen ich zur Not auch ein Wochenende in einer einsamen Blockhütte verbringen würde. Aber zwei Standardlösungen, um Charaktere sympathisch zu machen, sind:
- Der Charakter ist ein „Underdog“ und/oder Ausgestoßener mit einem furchtbaren Geheimnis.
- Der Charakter ist etwas Besonderes und von allen anderen missverstanden (ein Klassiker: Das „nicht wie alle anderen Mädchen“-Trope).
Um diese Dinge so richtig klarzumachen, sind alle anderen herablassend bis gemein zu ihnen. Und da denke ich mir als Leserin: Wieso zum Henker sollte ich meine kostbare Lesezeit in einer Welt verbringen, in der alle furchtbar zueinander sind? Sogar Aschenputtel hatte ihre singenden Mäuse (oder einen guten Dealer)!
Ebenfalls zweischneidig der Rat: „Enthalte Informationen vor“. Ja, bitte, dringend, je nach Geschichte mehr oder weniger – sonst wäre es kein Mystery, sondern ein Aufsatz in chronologischer Reihenfolge. Aber wenn dieser Kniff plump angewandt wird und konstant etwas angedeutet wird, das wahrscheinlich alle Leute bis auf die lesende Person wissen, wird es schnell langweilig und man merkt, dass damit nur eigentlich nicht vorhandene Spannung ausgestopft werden soll.
Ach so, noch ein stilistischer „Tipp“, den ich persönlich hasse: Kurze Sätze.
Sind leichter zu verstehen.
Leute mögen das.
Die kann man schneller lesen.
Aber merkt ihr es? Der Rhythmus des Textes geht dadurch kaputt, und das Lesen macht keinen Spaß mehr. Klar, wer nicht (auch) wegen der Sprache da ist, wird sich da nicht dran stören. Für mich ist schön eingesetzte Sprache wichtig. Dazu gehören nicht nur gut gewählte Wörter und Ausdrücke, sondern auch ein ordentlicher Rhythmus. In Action-Szenen sind kurze Sätze nützlich, um das Atemlose im Moment auszudrücken. Ruhige Momente vertragen längere Sätze und weiche Silben. Meistens kommt es darauf an, die richtige Mischung zu finden.
Der Mann hat einen Ratschlag, den er gern wiederholt: „Don’t learn the tricks of the trade – learn the trade“ (in etwa: Anstatt Hacks auf einem Gebiet zu lernen, arbeite dich lieber richtig in das Gebiet ein.) Und das finde ich gut und richtig – auch beim Schreiben. Klar gibt es Dinge, von denen man sagen kann: Die funktionieren, wenn du deinen Text leichter lesbar/unterhaltsamer/spannender/… machen willst. Aber anstatt sich mit Abkürzungen und Tricks aufzuhalten, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, erst einmal eine wirklich, wirklich gute Geschichte zu schreiben.
Jetzt bist du dran: Hab ich mich da in etwas verrannt? Oder habe ich vielleicht sogar etwas vergessen? Welche „Schreib-Hacks“ hasst du, welche sind nützlich – oder überflüssig?