EXTRABLATT! EXTRABLATT!

Marketing ist kacke.

Da, ich hab es gesagt.

Ich mag nicht marketen. Ich mag auch nicht bemarketed werden. Und wer hat Schuld daran? Ausnahmsweise einmal NICHT unser IT-Fachmann im Büro … sondern all die Knallhunzen, die einem konstant erklären, wie Marketing so richtig toll erfolgreich sei, und woran man das misst.

Ein Beispiel: Diese Woche habe ich einen E-Mail von einer Firma bekommen, bei der ich ein Ticket für ein Event gebucht habe. Die Betreffzeile lautete: „Wichtige Information zu deinem Event!“ – und was stand drin? „Deine Freunde und Kollegen können über diesen Link günstig auch Tickets kaufen!“

Joah, meine Lieben, das sind explizit NICHT „wichtige Informationen zu [meinem] Event“.

Das ist Werbung, und zwar die lästigste und ärgerlichste Variante. Sie belügt mich, spielt sich als wichtig auf und stiehlt mir meine Zeit.

Diesmal war ich so genervt, dass ich dem Anbieter eine entsprechende Mail zurückgeschrieben habe. Tenor: Macht das nicht wieder. Bislang sind sie mir die Antwort darauf schuldig geblieben. Merkwürdig, dabei habe ich den gleichen Betreff verwendet!

Okay, aber jetzt sind die Leute, die diesen Newsletter geschrieben haben, ja nicht dumm. Sie versuchen, einen wichtigen Marketing-Meilenstein zu optimieren: Die Klickrate – wie viele Leute öffnen diesen Newsletter tatsächlich? Und bei dem Betreff, rate ich mal, geht die Klickrate durch die Decke.

Was nicht durch die Decke geht – die Kundenzufriedenheit. Auch ein wichtiger Punkt, aber schwieriger zu messen. (Bis die Maschinen unsere Gedanken lesen.)

Gerade im Bereich „Marketing“ gibt es etliche solcher Indikatoren und „Tricks of the trade“: Abkürzungen, wie man sein eigenes Marketing „hackt“ und damit viele Kunden gewinnt, langfristig an sich bindet und dadurch reich und berühmt wird. Beinahe so, als sei Marketing ein Selbstzweck und nicht etwas, was man verwendet, um sein eigenes Produkt zu verkaufen.

Auch als Autorin mache ich so etwas nicht gerne. Ich habe keine ausgefeilte Online-Persönlichkeit, pflege meine „Marke“ nicht mit ausgeklügelten SoMe-Strategien und poste meist querfeldein, wie es mir gerade einfällt. Und das ist KEINE GUTE STRATEGIE, weiß ich selbst. Mein Newsletter kommt in unregelmäßigen Abständen und oft gar nicht oder zu spät, weil ich im Rahmen von Vorbereitungen und Aktionen einfach vergesse, dass das Ding auch noch geschrieben werden könnte.

ABER.

Es ist mir tausendmal lieber, ihr redet von mir als „Die verstreute Suse mit den Katzen und den tollen Büchern, bei der man nie weiß, was sie gerade treibt“, als dass ich „Die Werbeschleuder, die auch Bücher macht“ werde. Wenn ich also keine tollen Klickraten und Interaktionszahlen habe, ist das okay. Hauptsache, wir haben hier alle unseren Spaß.

Und falls euch all das nicht abgeschreckt (fast hätte ich „abgeschleckt“ geschrieben!) hat, könnt ihr hier immer noch meinen Newsletter abonnieren. Vielleicht finde ich irgendwann eine Strategie, bei der alle Seiten gewinnen.

„Jeder hat nur 24 Stunden, du musst Prioritäten setzen!“

Wisst ihr, wie sehr ich diese Aussage hasse?

Gerade heute bin ich da wieder irgendwo drüber gestolpert, als sich in SoMe eine Person beklagte, dass sie mit Job/Haushalt/Sport/Sozialleben überfordert sei. Und in den Kommentaren tummelten sich Dutzende(!) Leute, die ungefragt und ohne Kenntnis der Situation erklärten, die Person müsse ja nur ihr Leben besser strukturieren und dann „einfach machen“.

Joah, Frittenhorst, so einfach ist das nicht.

Völlig überraschend haben Leute nämlich unterschiedliche Mengen an Energie und Resilienz, um mit den Anforderungen des Alltags umzugehen. Manche könnten an einem Donnerstag Abend nach Vollzeitjob und Ehrenamt noch clubben gehen. Andere Leute fragen sich Dienstag Morgen schon, wie sie das ganze Elend noch vier weitere Tage durchhalten sollen.

Wahrscheinlich hab ich das schon einmal erwähnt: Ich leide an Schilddrüsenunterfunktion. Die ist nicht besonders schlimm und gut eingestellt – inzwischen. Als ich nämlich noch als Schülerin mit den entsprechenden Symptomen zu unserem Hausarzt gingen, hatten wir leider einen eher schlechten. „Ja, die Werte sind zu hoch, aber ich möchte ihr noch keine Tabletten verschreiben. Da gewöhnt sich der Körper nur dran und dann muss sie die immer nehmen.“

Angeblich hatte der Medizin studiert. Aber weißte was, du Rezeptblockverweigerer? Schilddrüsenunterfunktion geht nicht einfach weg. Der Körper lernt nicht, das zu kompensieren.

Damals wusste ich das noch nicht, und auch meine Eltern vertrauten dem Fachmann. Ich ging also in die weite Welt hinaus, begann ein Studium und wunderte mich immer, dass alles, was meine Freund*innen machten, so mühelos aussah. Unser Studium bestand aus im Schnitt 36 Kursstunden mit Anwesenheitspflicht pro Semester, plus Vor -und Nachbereitung. Nebenbei sollte man eigentlich auch noch arbeiten und ein Leben haben, aber das war für mich nicht drin. Zum Glück hatte ich Bafög und ein günstiges Studierendenwohnheimszimmer!

Ich war felsenfest davon überzeugt, eigentlich sei ich ja nur faul. Alle anderen schafften das schließlich auch! Ich war erst Anfang zwanzig, da sollte man nicht so müde sein! Also entwickelte ich eine unglaubliche Selbstdisziplin, um alles, was gemacht werden musste, auch wirklich zu schaffen – keine Abgabefristen zu versäumen, keine Klausuren zu verhauen, alle Vorträge ordentlich vorzubereiten. Ich war Expertin darin, mich selbst durch die Woche zu schleifen, und brauchte das ganze Wochenende, um mich zu erholen.

Gegen Ende des Studiums geriet ich dann an einen Arzt, der mir ohne weitere Bedenken Schilddrüsenhormone verschrieb. Und innerhalb weniger Wochen entwickelte ich mich zu Wonderwoman – oder es fühlte sich wenigstens so an. Plötzlich hatte ich soviel Energie wie ein ganz normaler gesunder Mensch!

Die Selbstdisziplin ist geblieben. Das ist der Grund, warum ich heute vergleichsweise viel im Alltag schaffe: Bürojob, Schreiben, Sport, ein wenig Haushalt (nicht besonders gut, reine Zeitverschwendung) und eine Art Sozialleben. Außerdem bringe ich mich ehrenamtlich ein, wenn mich ein Anliegen interessiert, und bin in mehreren Verbänden aktiv. Nur das mit dem Clubben hab ich mir geschenkt, zu viele Leute auf einen Haufen. Ich steh morgens auf und mache dann Dinge, bis ich Abends umfalle. Gewohnheitssache.

Und es wäre jetzt leicht, mir mit 15 oder so Jahren Abstand einzureden, es sei ja gar nicht so schlimm gewesen und ich hätte gar nicht so viel kriechen und kämpfen müssen. Glücklicherweise hatte ich im Winter einen Reminder. Ein Nahrungsergänzungsmittel, dass ich auf Empfehlung einer Fachperson nehmen sollte, machte nämlich meine künstlichen Schilddrüsenhormone wirkungslos. Und ich natürlich wieder – denk mir nichts dabei. Du bist müde und deine Haare fallen aus? Ist ja auch Winter. Und du bist nicht mehr die Jüngste. Bis ich dann doch mal ein wenig recherchierte. Nahrungsergänzungsmittel auf den Abend verlegt, und schon ging es mir wieder wonderwomanös.

Hätte jemand meinem 20jährigen Ich gesagt: „Du musst nur organisieren und priorisieren“, hätte ich mir gewünscht, die Energie zu haben, diese Person zu erwürgen. Den meisten Leuten mit chronischen Einschränkungen oder einfach nur weniger Resilienz geht es in diesen Situationen wahrscheinlich ähnlich.

Darum an dieser Stelle stellvertretend für alle und mein früheres Ich: Fick dich, Frittenhorst. Du hast ja keine Ahnung.

„Endlich deutsche Urban Fantasy!!!“

In einem verlassenen Raum steht ein einsamer Holstuhl neben einem abgetragenen Paar Stiefeln. Von schräg rechts fällt Sonnenlicht in den Raum. Der Boden ist schmutzig, eine Kette liegt herum. Der Raum wirkt verlassen. Möglicherweise handelt es sich um einen Dachboden.
Foto von Nathan Wright, gefunden auf Unsplash.

„Endlich deutsche Urban Fantasy!“ Das sagte neulich eine Bekannte zu mir. Sie war völlig aus dem Häuschen und begeistert – von „Kohlrabenschwarz“, einigen hier vielleicht ein Begriff. Falls nicht: Hörspiel von u. a. Tommy Krappweis, seit 2020 bei Audible als Hörspiel und für eine Zeit auch bei Paramount als Serie.

Ja, endlich deutsche Urban Fantasy. Hat es bis jetzt ja noch gar nicht gegeben. Also, bis auf „Magie hinter den sieben Bergen“ (seit 2013) oder „Alchemy & Blood“ von Sabine Osman oder die „Astoria Files“ von Brida Anderson oder die Bücher von Isa Theobald oder … ihr versteht, worauf ich hinaus will. Und ich bin wenig neidisch, aber in solchen Momenten fällt es schwer, sich dann nur über den Erfolg anderer Schreibender zu freuen, anstatt die Bekannte zu packen und zu schütteln und ihr ins Ohr zu brüllen: „Ich schreibe seit über zehn Jahren Urban Fantasy und erzähl dir da auch andauernd von!“

Kann in diesem konkreten Fall echt nicht daran liegen, dass sie von den Sachen nix wusste.

Was meinte sie also?

Erfolgreiche Urban Fantasy?

Gute Urban Fantasy?

Urban Fantasy mit dem medienpolitischen „Gütesiegel“?

Ich weiß nicht, wie das bei anderen Schreibenden ist. Ich bin chronisch unsicher, was meine Geschichten angeht. Eigentlich ist das ja keine Literatur, um damit einmal anzufangen. Das sind nur so Geschichten halt, zum Unterhalten. Und ich bin nicht so gut in Sachen Buchsatz, oder Cover, oder Marketing. Ehrlich? Ich mach das überhaupt nicht richtig, und bei all den Ideen, die ich gleichzeitig verfolge, hab ich auch gar keinen echten Plan. Und in so einem Moment, wenn mir dann jemand vorschwärmt, jetzt gebe es ja „endlich deutsche Urban Fantasy“, denk ich mir: Joah.

Eigentlich könnt ich es ja auch sein lassen.

(Spoiler: Kann ich natürlich nicht.)

Genug gejammert, zurück ans Werk. Bis Ende des Jahres möchte ich euch Schattenfall 2 präsentieren, komplett mit Hexe, Katze und Götterstatue. In meinem Kopf ergibt das alles Sinn. Ist dann halt wieder keine Literatur. Ich erzähl euch nur ein wenig was. Wird magisch!

Niemand hat vor, sich aus dieser Breduoille herauszukonsumieren

Großaufnahme von vier nebeneinander stehenden, gefüllten Einkaufstüten aus Papier. Aus zweien ragen oben pastellfarbene Seidenpapiere heraus.
Foto von Denisse Leon, gefunden auf Unsplash.

Sind wir uns alle einig, dass wir eine kleine Umwelt- und Klimakrise haben? Gut, dann muss ich mir da den Mund nicht fusselig reden. Und ich gehe hart davon aus, wir wollen das auch alle irgendwie wieder besser machen, nicht wahr? Auch gut.

Aber wie? Die Umwelt schützen, das klingt ehrenhaft und nicht besonders spaßig. Gut, einige Dinge sind inzwischen schon zur zweiten Natur geworden. Wir trennen Müll und bringen leere Glasflaschen zum Container. An den Einwegpfand haben wir uns auch gewöhnt. Inzwischen sind sogar die Deckel fest an den Flaschen, damit die auch um Himmels Willen bitte unbedingt mitrecyclet werden.

(Für wen das eine Veränderung darstellt – was habt ihr vorher mit den Deckeln gemacht? Werden die irgendwann als Währung relevant?)

(Der Mann reißt die Deckel übrigens von den Flaschen ab, weil er es nervig findet, wenn die da so dran rumbammeln. Wenn die Flasche leer ist, schraubt er sie dennoch wieder drauf. Ein vobildliches Vorbild.)

Andere Dinge sind möglicherweise etwas schwieriger. Weniger (oder gar keine) Tierprodukte mehr konsumieren, das Auto öfter mal stehenlassen und stattdessen das Fahrrad oder den Nahverkehr verwenden, nicht für jedes lange Wochenende nach Malle fliegen und überhaupt essen wir wahrscheinlich alle zu viele Avocados.

Und dann sind da all diese Dinge, die man KAUFEN kann, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Armbänder, mit denen Schildkröten geschützt werden. Schuhe aus alten Autoreifen. Taschen aus alten Schuhen. Die ultimative Bambuszahnbürste, jetzt auch elektrisch (oder mit dressierter Hummel im Griff).

Leute, ich habe eine schlechte Nachricht: Wir können uns aus dieser Jauchegrube, in die wir uns hineingekauft haben, nicht wieder hinauskonsumieren. Oder wenn, dann nur auf eine Weise: Indem wir WENIGER kaufen und Dinge länger verwenden. Anstatt auf hippe Glasdosen fürs Mittagessen umzustellen, verwende ich einige meiner Pseudotüpperchen (aus dem guten alten Plastik) schon seit fünfzehn Jahren – und ich ersetze die auch wirklich erst, wenn sie kaputt sind. Ähnliches gilt für Kleidungsstücke (auftragen oder weiterverkaufen), Elektrogeräte (gestern habe ich ein zehn Jahre altes Handy wieder in Betrieb genommen), Möbel und eigentlich so ziemlich alles. Viele Dinge kann man reparieren, anstatt sie direkt zu ersetzen, auch wenn die Reparatur nicht viel günstiger ist als ein neues Gerät. Manche Sachen kann man selbst flicken oder langlebigen Ersatz für normalerweise gekaufte Einwegartikel wie Spültücher herstellen. Ja, auf dem letzten BuCon habe ich hinterm Stand drei Spültücher aus Baumwollgarn gehäkelt, die seitdem zuhause regelmäßig verwendet werden. (Ab und zu spül ich tatsächlich von Hand!) Und natürlich gibt es die Möglichkeit, sich Dinge zu leihen, entweder professionell oder von Freunden. Die Tage im Jahr, an denen ich eine Kreissäge brauche, beispielsweise, sind irgendwo im Bereich von 0 bis 1, die würde ich nicht direkt selbst kaufen.

Und erst, wenn man etwas wirklich neu kaufen muss, wird es spannend, wie etwas hergestellt wurde – langlebig? Aus umweltfreundlichen Materialien? Möglichst lokal? Unter ethischen Arbeitsbedingungen? Übrigens gibt es dabei auch viel Betuppung, wie man landläufig sagt. Gerade Bambus war ja eine Weile groß in Mode, für alles von der Socke bis zum Mehrweggeschirr. Wie viel davon letzten Endes Bambus ist, wie der gewachsen ist und ob nicht doch möglicherweise die Hälfte von dem Material Kunststoff und Füllmaterial ist, darüber hüllen sich Firmen oft in Schweigen.

Irgendwer hat mir übrigens mal – und ich bin sicher, darüber habe ich schon mehrfach öffentlich geschimpft, weil das einfach zu strunzig war – vorgerechnet, dass man eine Baumwoll-Einkaufstasche mehrere hundert Male verwenden müsse, ehe sie umweltfreundlicher sei als eine Einweg-Plastiktüte, und bis dahin sei die ja schon voll eklig. Für diese Person (und alle anderen, die eventuell verunsichert sind) habe ich eine tolle Nachricht: BAUMWOLLTÜTEN KANN MAN WASCHEN!!! Und auch von diesen Exemplaren habe ich einige seit mehr als zehn Jahren in Verwendung. Das soll mir jemand mit einer Plastiktüte erst einmal nachmachen!

Kommen wir zu den Dingen, die wir gerne HÄTTEN, aber nicht BRAUCHEN. Ja, die gibt es auch, und niemand soll in Sack und Asche gehen, weil sonst irgendwo ein Vögelchen weint. Es ist okay, es sich im Leben ein wenig schön zu machen – mit Büchern, Dekoartikeln und Schmuck, einer hübschen Handtasche oder mehr Tassen, als man gleichzeitig benutzen kann. Allerdings sehe ich manchmal, wie das auch in bester Absicht dann wieder ausartet und man beispielsweise bei der Buchbestellung eimerweise Flyer, Gummibärchen, in Sondereditionen Kerzen und Kram mitbekommt, der wahlweise Staub fängt oder Platz im nächsten Altpapier wegnimmt. Und da würde ich dann wieder gerne zu etwas mehr Zurückhaltung mahnen. Goodies sind toll, ich hab auch immer mal wieder welche (Gänsepins, anyone?), aber die Menge sollte begrenzt sein und man sollte Goodies auf jeden Fall verwenden können, anstatt sie nur einmal durchzugucken und dann irgendwo abzulegen, bis man sie doch wegwirft. Deswegen habe ich so gern Postkarten bei meinen Büchern, denn die verschicke ich auch regelmäßig.

Damit wäre ich, denke ich, auch schon am Ende meiner moralisch nicht eindeutigen Position zu Sachen Klima, Umwelt und Konsum. Und denkt bitte dran: Keine Enten schubsen!

Faule Schreiber*innen

Hab ich darüber schon einmal geschimpft? Keine Ahnung, wird offenbar mal wieder Zeit.

Für jedes Genre gibt es bekanntermaßen „Tropes“. Das sind Erzählmuster und Konventionen, die sehr häufig vorkommen oder sogar vorausgesetzt werden.

Und dann gibt es Erzählfiguren, die sind nur faul. Eine befreundete Autorin hat darüber geschimpft, dass in historischen Medien Bösewichte oft darüber charakterisiert werden, dass sie Frauen schlecht oder abwertend behandeln oder ihnen gegenüber sogar (sexuell) übergriffig sind. Und sie hat völlig Recht. Für viele schreibende Personen scheint das so eine Art Abkürzung zu sein: „Die Figur ist gemein zu Frauen, da ist sofort klar, dass sie böse ist.“ Und ehrlich gesagt … ich finde das einfallslos.

Zum einen erleben fast alle Frauen regelmäßig übergriffiges Verhalten. Wir wissen, wie das funktioniert. Und in den meisten Fällen funktioniert es definitiv nicht so, wie es geschrieben wird. Ergo haben die schreibenden Personen schlecht recherchiert.

Zum anderen: Dieses Pferd ist totgeritten. Genau so gut könnte man jede*n Schurken*in eben schnell einen Hundewelpen treten lassen, um zu zeigen, wie böse und gemein er*sie ist. Oder Gänseblümchen mit dem Flammenwerfer niedermetzeln.

(In dem Zusammenhang ein kleiner Exkurs: Es macht deinen „guten Kerl“ auch nicht automatisch zu einem guten Kerl, dass er Frauen wie Menschen behandelt. Das ist ja wohl das Mindeste, was wir erwarten können.)

Denk immer daran, die meisten Schurk*innen begreifen sich selbst ja nicht als böse – egal ob in fiktiven Konflikten oder in der realen Welt. Die wissen, dass es schlecht ist, Frauen schlecht zu behandeln. Sogar die RAF-Leute dachten, sie tun der Welt einen Gefallen und nehmen dafür einige notwendige kleinere Übel in Kauf. Und Leute, die wissen, dass sie etwas Schlechtes tun (wie Einbrecher oder Diebe) können abgesehen davon ganz hinreißende Menschen sein. Möglicherweise bringen sie sogar eine subjektiv gute Begründung für ihr schlechtes Handeln mit.

Umgekehrt wird übrigens auch ein Schuh draus: Es gibt Menschen, die sich für das Gute für die Allgemeinheit einsetzen und gleichzeitig toxische Charakterzüge haben. Niemand ist nur gut oder nur böse. Natürlich ist es schwierig, eine Protagonistin mit internalisierter Misogynie sympathisch zu machen (solche lege ich meistens direkt wieder weg) oder zu erklären, warum der Komissar jetzt seine Frau betrügen muss, aber … Menschen sind kompliziert. Auch (und gerade!) die in Geschichten. Sie stattdessen als Ausstechförmchen-Figuren zu erzählen, die man nicht mal mit Details glasiert hat, wird der Geschichte in den meisten Fällen nicht gerecht.

Das bisschen Übersetzen … (ihr habt es erraten, ein Rant)

Schwarzer Hintergrund, hölzerne Tischplatte. Darauf liegt, schräg gestützt, ein aufgeschlagenes Wörterbuch.
Foto von Pisit Heng, gefunden auf Unsplash

Orr, ich hab Schnappatmung. Stellt euch eine wütende Forelle vor, oder von mir aus eine Flunder. Möglicherweise wisst ihr das, aber ich schreibe ja nicht nur Bücher und merkwürdige Blogposts – im Brotjob bin ich Übersetzerin für medizinische Fachtexte. Und ich behaupte, ich bin darin gar nicht mal so schlecht – möglicherweise fast schon ein bisschen gut. Auf jeden Fall mache ich das seit vielen Jahren mit anhaltender Begeisterung und bin mitunter sogar stolz auf das Endergebnis.

Jemand, dem ich eigentlich relativ viel Sachverstand zutraue (oder bis gerade eben zugetraut habe), hat in einem Artikel jetzt sinngemäß erklärt, Übersetzen sei ja nicht so schwer. Wer eine Sprache auf B-Level könne, könne definitiv auch schon übersetzen. (Weiter ging es dann darum, dass das ja deswegen keine Kunst sei und es keine KI-Regulierungen für KI-basierte Übersetzungen brauche, das ist ein anderes Thema … BTW, wusstet ihr, dass Übersetzer*innen das Urheberrecht an ihren Übersetzungen halten, weil die als eigenständige Texte gelten? Jetzt wird es kompliziert, ich lass das mal so stehen.)

Wer wissen möchte, was „B-Level“ bedeutet, ich kopier euch mal eben eine Definition:

B1 – Fortgeschrittene Sprachverwendung
Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben.
B2 – Selbständige Sprachverwendung
Kann die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit Muttersprachlern ohne größere Anstrengung auf beiden Seiten gut möglich ist. Kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben.

(Quelle)

Das klingt doch schon nach etwas, oder? Klaro kann man mit diesem Level an Sprachverständnis/-verwendung übersetzen!

(Plattenscratschgeräusch.)

Ähm, ja, möglicherweise nicht. Zum einen enthält erst Level C auch das Verstehen implizierter Textinhalte (das, was zwischen den Zeilen steht), flexiblen Sprachgebrauch (verschiedene soziale Levels, Stilvariationen, …) und das Wiedergeben komplexer Sachverhalte. So etwas ist für eine ordentliche Übersetzung unabdingbar. Aber damit ist es nicht getan.

Gut, ja, wenn es darum geht, für Tante Walburga ein Chocolate-Chip-Cookie-Rezept zu übersetzen, kommt man mit B-Level-Englisch möglicherweise schon hin (schnell: Wie schwer ist „one stick of butter“ in US-amerikanischen Rezepten? Wie schwer ist „1 cup of flour“? Was verwendet man als „Sour Cream“?), aber Übersetzen ist viel mehr als: „Ich nehme dieses Wort in der Fremdsprache und schlage nach, was es in meiner Sprache bedeutet.“

Nicht umsonst studiert man Übersetzen üblicherweise an der Uni, und zwar auch mehrere Jahre. (Ich habe fürs Diplom sieben gebraucht, das war etwas mehr als die Regelstudienzeit.) Und das Studium besteht nicht nur aus Sprachkursen. Man studiert auch kulturelle Besonderheiten der anderen Kulturen. Und ein wesentlicher Teil der Zeit geht für Sprach- und Übersetzungswissenschaften drauf. Das war mein Lieblingszweig, ein wirklich spannendes Gebiet, ich habe die Fachbücher zuhause und schmökere da gerne drin. Man lernt eine Menge darüber, wie Kommunikation funktioniert und welche Arten von Kommunikation es gibt, auf welche Bedeutungsebene man sich bewegen kann, welche Funktionen eine Übersetzung erfüllen kann/muss, ob das Zielpublikum von Bedeutung ist etc. Viel davon verwendet man später im Übersetzungs-Alltag, etwa bei der Textanalyse oder wenn man sich für einen Stil für die Übersetzung entscheidet.

(Abschweifend: Mir persönlich fehlt im ÜS-Studium ja noch der verfeinerte Gebrauch der Muttersprache – viele erwachsene Menschen (auch solche mit Uni-Abschluss) scheitern am genauen Lesen und Erfassen komplexer Texte, da sollte man auch bei Übersetzer*innen vorbauen. Aber ich jammere gern auf hohem Niveau.)

Und eine weitere Superkraft von Übersetzer*innen: Wenn die Person, die den Ausgangstext verfasst hat, dabei so richtig Mist gebaut hat (Stichwort Speech-to-text-Hasshölle), können wir das wieder geradebiegen. Je nachdem, was das Ziel der Übersetzung ist, finden wir glaubwürdige Methoden, die Textfehler in der Zielsprache nachzubauen, oder wir merzen sie aus und verbessern den Zieltext gegenüber dem Ausgangstext sogar.

Wer wissen will, wieviel Einfluss Übersetzer*innen auf Texte haben, soll sich mal einen Buchklassiker nehmen und verschiedene Übersetzungen dazu anschauen. Ein häufiger genanntes Beispiel hierfür ist „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow. Ich bleib hier so lange sitzen, schaut euch das mal an.

Halte ich KI-Tools als Übersetzungshilfe denn jetzt für böse? Natürlich nicht. Irgendwann können sie möglicherweise sogar menschliche Übersetzer*innen vertreten. Aktuell fehlt aber noch das tiefere Textverständnis. Sogar wenn ein KI-übersetzter Text auf den ersten Blick solide klingt, merkt man beim analytischen Lesen schnell, wo Bezüge nicht richtig hergestellt werden oder Hintergrundwissen fehlt, um den Text (und die Übersetzung) im kulturellen Kontext einzuordnen.

Langer Schimpftirade kurzer Sinn: Wenn man von etwas keine Ahnung hat, sollte man vielleicht öfter mal die Fresse halten. Und auf keinen Fall sollte man auf die fachlichen Leistungen in Bereichen, von denen man keine Ahnung hat, spucken. Ich geh doch auch nicht Buchcover kritisieren oder erzähle Automechaniker*innen, das bisschen Schrauben sei keine Leistung, so einen Ölfleck auf der Hose könne sich jeder holen.

Andererseits … ich war in Bio ganz gut, und ich habe auch schon mal „Dr. Bibber“ gespielt. Wer von euch würde sich von mir operieren lassen? So schwer kann das gar nicht sein, das bisschen Aufschneiden und Herummatschen.

Zurück zur Schule – wieder und wieder und wieder und …

Tisch mit Knete in Töpfen, großen Holzbuchstaben, Stiften und Papier. Ein niedriger Holzstuhl mit rosa Lehne steht am Stuhl, im Hintergrund ein Spielzeugklavier.
Von Gautam Arora, auf Unsplash

Es ist ein fauler Tag. Ich hab nicht viel gemacht und ruhe mich jetzt davon aus. Im Hintergrund laufen Failvideos auf Youtube, die Katze schnarcht neben mir und ich scrolle durch Instagram.

Innerhalb von zehn Minuten habe ich vier(!) verschiedene(!) Vorstellungen von Büchern gelesen, die an magischen Internaten spielen.

Warum???

Abklatsch der Serie, die nicht genannt werden wird? Nostalgischer Self-Insert? Oder bauen die Schreibenden darauf, dass alle wohl mal auf einer Schule waren und sich deswegen bestimmt grandios abgeholt fühlen?

Keine Ahnung. Aber gerade im Fantasy-Bereich geht mir der Mangel an Fantasie auf den Zeiger. (Minuspunkte, wenn die Story grundlos in Schottland spielt, das hatte ich diese Woche schon zweimal.) Und auf den ersten Blick ist es auch immer die gleiche Geschichte: X kommt später an die magische Schule als alle anderen, alle finden sie doof, gezwungenermaßen arbeitet sie mit dem mysteriösen Y zusammen, wird versehentlich zur Schulbesten und klärt dabei noch ein finsteres Geheimnis auf.

Laaaaaangweilig!

Stellt die verdammte Schule doch wenigstens mal in den Ruhrpott – und macht ein Finanzamt draus. Nehmt eine*n Protagonisten*in, der*die den Führerschein nicht erst seit zwei Wochen hat. Erspart mir den Love Plot mit dem (wenig) überraschend feinfühligen Bad Boy. Und steckt mehr Überlegung ins Worldbuilding als „… und Magie!“

Gut, möglicherweise bin ich nicht die Zielgruppe für diese Art Romane. Andererseits lese ich YA/NA Fantasy durchaus gern, wenn sie gut gemacht ist – von Frances Hardinge habe ich bestimmt schon das eine oder andere Mal geschwärmt? Oder kennt hier wer „A wizard’s guide to defensive baking“ von T. Kingfisher?

Vielleicht bin ich auch nur alt und grummelig. Ich sollte meinen Tee trinken und ins Bett gehen, wie es sich für eine alte Frau gehört. Nur ein Hoffnungsschimmer bleibt mir: Wenigstens muss ich morgen früh nicht ins Internat, um mit den Mean Girls zu konkurrieren, während Brad mich finster anschmachtet.

(Oh, Brad!)

Keine Macht den Drogen! (Aus finanziellen Gründen)

Jeden Monat um den Fünfzehnten herum aktualisiere ich meine Buchhaltung. Da sind nämlich die Vormonats-Berichte von Kindle Direct Publishing verfügbar, und das ist für Selfpublisher*innen wie mich nun einmal eine relevante Einnahmequelle. Und was kann ich sagen? Es könnte schlimmer sein. Es könnte aber auch viel, viel besser sein.

Weißer Hinter- und Untergrund. IM Zentrum des Bildes groß fünf Münzstapel, von links nach rechts: Ein-Cent-Münzen, Zwei-Cent-Münzen, Fünf-Cent-Münzen, Zehn-Cent-Münzen, zwanzig-Cent-Münzen. Der Gesamtwert der Münzen liegt unter vier Euro.
Foto von Ibrahim Rifath, gefunden auf Unsplash.

Bestimmt hast du schon öfter darüber jammern hören, doch meine Stimme fehlt gerade im Chor: Die meisten schreibenden Personen werden durch das Schreiben nicht reich – es sei denn, sie schreiben einen Erpresserbrief, das soll ganz lukrativ sein. Bücher hingegen … na ja. Wir machen das ja nicht für den Mammon, sondern für die Kunst. Oder wenigstens rede ich mir das gerne ein.

Wenn mir Leute erzählen, dass ihre Kinder beruflich Bücher schreiben wollen, bemühe ich mich stets, etwas Ermutigendes zu sagen: „Toll! So hat dein Kind nie Geld für Drogen!“

Natürlich wissen wir alle, dass Leute wie Stephen King im Lauf ihrer Karriere durchaus Geld für Drogen hatten, nur ist das leider eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch hegen alle, die Bücher schreiben, diesen heimlichen Traum: Ich will zu den finanziell erfolgreichen zwei Prozent gehören! Wer behauptet, dem sei nicht so, betrügt die anderen und sich selbst nur gründlicher als die meisten.

Auf meinem gemütlichen Bürojob-Polster kann ich es mir natürlich leisten, genau das zu schreiben, was ich schreiben will, in meinem Tempo zu arbeiten und aktuelle Trends zu ignorieren. Anderen Leuten geht es da wesentlich weniger rosig. Welches Genre, welche Art Geschichte wird das nächste große Ding? Ohne den Zauberlehrling, der nicht genannt werden darf, gäbe es aktuell wahrscheinlich sehr viel weniger einförmige Zauberschulenbücher. (Wer für diese lästigen Love Triangles zuständig ist, da bin ich mir noch nicht sicher. Aber wenn ich den*die erwische, dann … ! (Droht mit der Faust.)) Und klaro, alle behaupten, sie schrieben nur Herzensprojekte, denn da das alles hier ja Kunst ist, redet niemand über finanziellen Erfolg oder die Frage, wie man das nächste Lektorat bezahlt.

Ich denke mir: Wenn ich damit schon nicht reich werde, will ich in all den Stunden, die ich am Schreibtisch sitze und tippe, wenigstens Spaß haben. Deswegen gibt es hier keine aktuellen Trends und leider wohl auch nicht „das nächste große Ding!“ (von dem ich natürlich auch träume, siehe oben), dafür aber viele kleine und größere Geschichten, die mir auch bei der dritten Überarbeitungsrunde noch viel Spaß gemacht haben. Natürlich würde ich lieber noch viel mehr Zeit in diese Geschichten stecken, aber da irgendwer das Katzenfutter bezahlen muss, geht das leider nicht.

Und jetzt Butter bei die Fische – was würdest du mit deinem Leben machen, wenn Geld überhaupt keine Rolle spielte?

Vom Gutes-Tun und vom Gutes-Fühlen

Ein Obdachlosenlager. Kartons, eine Matratze, mehrere abgenutzte Decken und Kissen. Auf dem Boden davor ein Schild aus Pappe (nicht lesbar) und ein Becher für Mpnzen. Der Boden ist mit Unrat bedeckt.
Foto von Jon Tyson, gefunden auf Unsplash.

Manchmal wundere ich mich über Menschen.

Seit einiger Zeit geistert ein Text im Internet herum. Ich verlink den nicht – warum, wird gleich hoffentlich klar – aber in Kurz erzählt jemand aus der Ich-Perspektive, wie er*sie vor einem Café saß und beobachtete, wie einige junge Leute zu einem Obdachlosen gemein waren. Dann ging die Person in den nächsten Laden und kaufte Lebensmittel, Socken etc. für den Obdachlosen. Der wollte die Sachspende erst nicht geschenkt nehmen, sondern mit den Spenden des Tages (Centbetrag) bezahlen. Der Text ist garniert mit Ausdrücken echter Empörung und Betroffenheit. Am Ende folgt ein Aufruf, wir sollten doch alle bessere Menschen sein.

Dieser Text wurde mindestens seit Anfang des Jahres im exakten Wortlaut von etlichen Profilen, die nicht zur gleichen Person gehören, kopiert. Ohne Quellenangabe, ohne zeitliche Einordnung. Es klingt immer so, als habe die postende Person das Beschriebene „gestern“ erlebt. Natürlich frage ich mich: Warum tut jemand so etwas? Klar, da soll Aufmerksamkeit generiert werden. Mehr dazu gleich.

Eine Bekannte bei Facebook teilte gestern den nämlichen Text, den ein weiteres Profil kopiert hatte. Das ist erst einmal nicht verwerflich, denn es ist wichtig, auf soziale Missstände wie Obdachlosigkeit aufmerksam zu machen. Als ich sie allerdings darauf aufmerksam machte, dass das Beschriebene nicht authentisch sei, geschah etwas merkwürdiges. Sie war sauer auf _mich_, weil ich nicht betroffen ob der Obdachlosigkeit und der Gemeinheit der jungen Leute war, sondern mich darüber empörte, dass von er postenden Person gelogen wurde. Es sei doch gut, wenn jemand über ernste Themen schreibe, und letztendlich zähle das Gefühl und nicht, ob das da echt sei oder nicht.

Äh, nein.

Zugegeben, ich verbringe einen großen Teil der Zeit damit, mir Geschichten auszudenken und sie Leuten unterzujubeln. Allerdings deute ich niemals auch nur an, dass irgendwas von dem, was ich schreibe, wahr und so tatsächlich gerade eben erst passiert sei.

Was macht dieser Text denn? Wird damit tatsächlich etwas gegen Obdachlosigkeit getan? Werden praktikable Lösungen für ein ernstes Problem aufgezeigt? Oder geht es vielmehr darum, dass die postende Person so tut(!), als habe sie etwas total Selbstloses für jemanden getan, zu dem alle anderen echt voll gemein waren? Ich meine – klar, mit so einem Post kannst du eine Menge Aufmerksamkeit online generieren. Jede Menge Menschen werden dir zustimmen, dich loben, über die gemeinen anderen Leute schimpfen, Obdachlose bedauern und den Quark eben weiter teilen, weil der Text Gefühle in ihnen auslöst.

Wem so ein Text nichts bringt? Logo, den Obdachlosen.

Und ich rede noch nicht einmal davon, wie herablassend es ist, für eine vollkommen fremde erwachsene Person einen Großeinkauf zu tätigen, was da ja angeblich passiert ist. Das ist sowieso so ein Pet Peeve von mir – Leute, die Obdachlosen und anderweitig bittenden Personen aus Prinzip nur Sachspenden geben, weil „sonst versaufen die das ja eh nur“. Bevorzugt gesagt von Leuten, die gerade auf dem Weg in die Kneipe sind, denn wenn du einen festen Wohnsitz hast, darfst du natürlich Nervengifte konsumieren, soviel du magst. Nur bei den Leuten, die wir als sozial schwächer aufgestellt wahrnehmen, ist das ein Problem. Genau wie bei rauchenden Arbeitsuchenden, da wird auch immer der mahnende Zeigefinger erhoben. Es scheint ein menschliches Grundbedürfnis zu sein, andere Leute zu belehren und zu verurteilen.

(Disclaimer: Ja, ich bin judgemental as fuck. Würde nie etwas anderes sagen. Es ist eine meiner besseren Eigenschaften.)

Und warum teilen Leute so etwas? Warum sind sie empört, wenn solche Texte kritisiert werden? Ich vermute, dass diese Texte ihnen ein diffus gutes Gefühl verpassen. Sie lesen, wie jemand (angeblich!) etwas Gutes getan hat, und dann fühlt das Gehirn sich ganz warm und flauschig an. Sie stellen sich vor, dass sie natürlich ähnlich handeln würden, also macht sie das zu besseren Menschen. Das Gehirn unterscheidet nicht notwendigerweise zwischen dem, was wir lesen/hören/sehen und dem, was wir tatsächlich tun.

Einmal mehr: Wem hilft das nicht? Obdachlosen Personen.

Während man sich also total solidarisch und selbstlos fühlt, ist man eigentlich nur auf die eigenen Bedürfnisse konzentriert.

Und wo wir gerade dabei sind – was kann man Obdachlosen denn nun wirklich Gutes tun?

Zuerst einmal sage ich natürlich NICHT, dass du mit den persönlichen Spenden aufhören sollst. Aber Spenden sind eine temporäre Lösung für ein chronisches Problem. Das gilt auch für Spenden an ehrenamtliche Organisationen, die sich um die Bedürfnisse Obdachloser kümmern. Bitte dennoch weitermachen! Schau, ob du dich irgendwo ehrenamtlich engagieren kannst (Bahnhofsmission o. ä.), wenn du die Kapazität hast. Und vor allem: Engagier dich auf politischer Ebene. Obdachlosigkeit ist nämlich nicht gottgegeben, sondern ein Ergebnis dessen, wie unsere Gesellschaft aufgebaut ist. Inzwischen gibt es gute Studien dazu, dass man Obdachlosigkeit viel effizienter (und günstiger!) bekämpfen kann, indem man den obdachlosen Personen Zugang zu einem festen Wohnsitz und einem eigenen Bankkonto verschafft und sie dabei betreut, sich wieder ein geregeltes Leben aufzubauen.

Natürlich eine kleine Sob Story zum Schluss: Als ich noch Studentin war, saß an der Uni immer ein Obdachloser und bettelte. Ich hatte nicht viel (Bafög plus Kindergeld), aber wenn ich etwas übrig hatte, gab ich ihm. Außerdem haben wir uns ab und zu unterhalten, wenn ich zwischen Kursen etwas Zeit hatte. Er hatte angefangen, zu viel zu trinken, nachdem seine Frau gestorben war, hatte Job und Wohnung verloren und musste nun gucken, wie er irgendwie durchkam. Irgendwann saß er nicht mehr an seinem üblichen Fleck. Aber einige Jahre später sah ich ihn zufällig auf dem Weg ins Büro im Bus – und in wirklich präsentablem Zustand. Er hatte es tatsächlich geschafft, wieder Fuß zu fassen, und war selbst auf dem Weg zur Arbeit. Damit hatte ich kein Stück zu tun, und ich weiß auch nicht, wie diese Wendung zustande gekommen ist (ich musste zwei Stationen später wieder aussteigen), aber ich war extrem erleichtert zu sehen, dass er nicht aus traurigen Gründen verschwunden war.

Jetzt können wir uns alle kurz gut fühlen, und dann machen wir bitte weiter damit, die Welt tatsächlich zu verbessern.

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Im Moment wird unter Autor*innen wieder verstärkt über Rezensionen geredet. Gut, ganz weg ist das Thema nie, aber gerade falle ich öfter drüber als in den letzten Wochen. Und das Thema dreht sich natürlich im Kreis.

Natürlich sind unsere Bücher für uns die tollsten, besten, schönsten der Welt. Also wollen wir, dass alle anderen Menschen sie bitte genau so sehr lieben sollen wie wir selbst. Und am besten teilen die das auch allen anderen Menschen durch öffentliche Lobhudeleien mit.

Außerdem sind Rezensionen wichtig fürs Marketing, und damit auch für Ruhm und Ehre. Ein Buch mit vielen guten Rezensionen wirkt auf Käufer*innen vertrauenswürdiger, verheißungsvoller. Und man rechnet sich natürlich aus: Je mehr Rezensionen ein Buch hat, desto mehr Leute haben es gelesen, also kann es nicht ganz furchtbar sein.

Ein Ding vergessen Autor*innen aber leider oft: Rezensionen sind für uns wichtig, aber sie sind nicht für uns geschrieben. In Rezensionen teilen Lesende anderen Lesenden mit, wie sie ein Buch fanden, was gut oder nicht so gut war, was ihnen aufgefallen ist. Wenn man eine Rezension schreibt, tut man am besten so, als sei die Person, die das Buch geschrieben hat, tot. Dann muss man sich mit ihren Gefühlen nicht mehr auseinandersetzen und kann sich auf das konzentrieren, was wichtig ist: Das Buch.

Was man als Autor*in NICHT machen sollte: Sich öffentlich über „schlechte“ Rezensionen auslassen. Über sie schimpfen, sie analysieren, möglicherweise gar die eigenen Fans dazu aufrufen, sie sollten die entsprechende Rezension auf den Plattformen „downvoten“. Großes No-No.

Denkt immer daran: Ihr seid nicht das Zielpublikum. Genau so wenig, wie ich das Zielpublikum für Liebesfilme bin. Deswegen habe ich keine öffentliche Meinung über Liebesfilme. (Spoiler: Ich mag sie nicht.)

Und denkt auch daran: Lesende schulden euch nichts. Sie DÜRFEN euer Buch blöd finden, oder langweilig, oder unlogisch. Nicht jedes Buch ist für jede Person gedacht. Ich finde manche Bücher auch richtig, richtig schlecht – solche in Genres, die ich selten lese, aber auch vielgelobte Bücher in „meinen“ Genres. Und das ist keine wertvollere Meinung, weil ich selbst schreibe. Zwar verkneife ich mir negative Rezensionen meist, damit nicht der Eindruck aufkommt, ich wolle „der Konkurrenz“ schaden, aber im stillen Kämmerlein schimpfe und fluche und lästere ich mit mir selbst schon ausgiebig. Und wenn andere Leute diese Bücher dann total toll finden, haben die nicht automatisch unrecht, denn Geschmack ist subjektiv.

Okay, und was macht man als Autor*in mit einer negativen Rezension?

Zuerst einmal überlegt man sich genau, ob man sie lesen will. Für manche Leute ist der beste Weg, Rezensionen generell zu vermeiden.

Und wenn man sie liest, kann man sie im Stillen auch richtig blöd finden. Jedoch sollte man sich auch die Details genau anschauen – hat die Person vielleicht mit dem einen oder anderen Punkt sogar Recht?

Nur öffentlich drüber aufregen sollte man sich nicht. Das wirkt, finde ich, immer ein wenig traurig. Als sei die Person eigentlich noch nicht bereit, ihr Buch in die große weite Welt zu entlassen. Also lieber Zähne zusammenbeißen. Und dann setzt man sich hin und schreibt das verdammt beste nächste Buch der Welt, um die Fans zu unterhalten und die Kritiker zu überzeugen. (Ob das klappt, wird man natürlich nie wissen, wenn man die Rezensionen nie liest, und auch damit befinden wir uns wieder in einem Teufelskreis. Die nächste Runde geht rückwärts!)

An dieser Stelle natürlich auch noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle Leute, die meine Bücher wichtig genug fanden, um eine Rezension zu hinterlassen. Ihr seid großartig!