Durchs Netz gerauscht

Großaufnahme von verschiedenen Netzen. Links ein großmaschiges, eher ausgefranstes aus einer hellen Faser, dahinter und rechts ein türkisfarbenes Netz aus dünneren Fasern mit kleineren Maschen.
Foto von Waldemar Brandt, gefunden auf Unsplash.

„Vernetzt euch“, sagt man (nicht nur, aber auch) Autor*innen und anderen Kunstschaffenden immer wieder gern. Und das klingt auch wirklich sinnvoll und nützlich. Außerdem macht es Spaß, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und zu schauen, wo man vielleicht aus den Fehlern anderer lernen könnte.

Aber ich wär doch nicht ich, wenn ich nicht ein wenig zu meckern hätte. Meiner Erfahrung nach gibt es nämlich einen Punkt der Vernetzung, an dem es bei vielen Leuten hakt: Das Teilen.

Nicht nur das Nicht-/Teilen von Keksen (auch das prangere ich an!), sondern das Weiterverbreiten von Neuerscheinungen, wichtigen Informationen, Terminen und diesen generellen Werbeschleuderposts, die man als allein schaffende Person kaum in Gang halten kann.

Woran das liegt? Keine Ahnung!

Eventuell glauben die vernetzten Personen, ihre unbedeutende digitale Präsenz wäre für die Verbreitung von solchen Posts nicht „groß“ genug.

Vielleicht wollen sie ihre eigene digitale Marke nicht optisch verwässern, indem sie Beiträge von anderen Leuten teilen.

Möglicherweise haben sie auch Sorge, ihre Abonnent*innen mit zuviel Werbung zu nerven und langfristig zu vergraulen.

Oder denken sie im Fall der Fälle einfach nicht daran?

Ich habe keine Ahnung. Und auch keine gute Lösung. Und letztendlich darf jede*r mit dem eigenen Account natürlich tun und lassen, was man will. Aber ich finde es schon schade – ich teile gern die Bücher meiner Freund*innen. Zum einen, weil ich mich für sie freue. Ich meine: Mehr Bücher! Toller Glitzerkram! Zum anderen, weil das meine mitunter etwas magere Content-Diät aufpolstert. Schließlich habe ich NICHT jede Woche ein neues Buch zu bewerben, und die, die es gibt, kennen meine Follower*innen hoffentlich alle schon. Wenn also über solche geteilte Posts nur ein weiteres Buch verkauft wird, hat sich der „Aufwand“ (ein bis drei Klicks, je nach Plattform) mindestens doppelt gelohnt.

Das ist übrigens eines der Dinge, die ich an Instagram nicht mag – man kann keine Beiträge teilen, oder höchstens mal in der Story. (Ich habe keine Zeit für Stories. Muss Abenteuer erleben!) Ach, Instagram ist eh nicht so mein Ding. Zu viele Bilder, immer dieses lästige Gezappel und Gewimmel und dann die nervige Musik, wenn man aus Versehen auf irgendwas drauftippt … und von Tiktok fange ich besser gar nicht erst an! (Alte Frau, ich weiß.)

Warte, was wollte ich sagen?

Ach ja. Vernetzt euch. Tauscht euch aus. Und wenn ihr seht, dass jemand etwas Neues hat, das der Welt dringend mitgeteilt werden sollte, tut das eure. Denkt dran – es sind nur wenige Klicks!

Social Spam

Eine Wand aus "Spam"-Dosen. (Spam ist Frühstücksfleich in so eckigen Konserven.)
Foto von Hannes Johnson, gefunden auf Unsplash

Wie kann es eigentlich sein, dass einem auf den „sozialen“ Medien soooooo unglaublich viel Spam begegnet? Und nein, ich meine damit nicht die ungelenken „Kauft meine Bücher!“-Posts, von denen ich selbst so gerne welche absetze. Vor allem auf Instagram kriege ich andauernd Nachrichten von Accounts die „sehr beeindruckt“ von meinem „tollen Account“ (mit sagenhaften 500 Followers) sind und unbedingt mit mir kooperieren wollen. Uns allen ist klar: Die wollen an mein Geld. Und das ist schade, denn davon hab ich gar nicht soviel. Fragt das Finanzamt! ^^

Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass es besonders auf Instagram, aber verstärkt auch bei Twitter und bestimmt spätestens bald bei Facebook immer mehr Accounts gibt, deren Ziel es einzig und allein ist, anderen User*innen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dafür, dass sie ihren drölfzig Millionen „total echten“ Followers deine Katze oder dein Buch zeigen.

Joah, nee.

Ich meine, sogar wenn man naiv und von der Anfrage zuerst begeistert ist, schaut man sich doch die Followers des entsprechenden Accounts an und merkt schnell, dass das fast ausschließlich Bots und „Ich folge allen, weil ich selbst Gefolgschaft generieren will“-User sind.

Und ich habe den Eindruck, dass die Betreiber der SoMe-Plattformen gar nichts dagegen tun. Warum auch? Es schadet ihnen nicht, es kostet sie kein Geld – und spätestens bei Instagram bin ich sicher, dass den Betreibern der „soziale“ Teil von „Social Media“ total egal ist.

Gnah! Es geht mir auf den Keks. Aber was sind die Alternativen? Ich tausche mich gern mit Leuten aus. Bleibt also nur, die entsprechenden Accounts stumpf jedes Mal als Spam zu melden – vielleicht merken sie es irgendwann.

Welche Strategien habe ich übersehen?

Direkt noch ein Rant – Glas im Wald

Offenbar bin ich jetzt eine schimpfende alte Frau. Ist nicht so schlimm, ich freu mich da drauf.

Auf jeden Fall – es wird seit langem auch von Fachleuten kontrovers diskutiert, unter welchen Umständen man mit Glas einen Brand auslösen könne. Die meisten Versuche zeigen, dass handelsübliche Flaschenscherben wenigstens in dieser Hinsicht harmlos sind. Eine andere Sache ist das bei speziell geschliffenen Gläsern: In diesem Fall hat etwa eine Brille offenbar einen Brand ausgelöst. Einige von uns erinnern sich vielleicht noch an den Physikunterricht und den Brennglas-Effekt (man kann ein Feuer mit einer Lupe oder einem ähnlich konvex geschliffenen Stück Material entzünden). Auf jeden Fall sind sich nicht einmal Fachleute einig, und im Moment ist es draußen ja eher trocken.

Soviel zur Theorie.

Jetzt wechsle ich scheinbar das Thema, aber keine Bange, das kommt später alles zusammen: Ich bin ja eine Hexe. So eine langweilige „Moderne“, die keine Kinder isst (zuviel Fleisch ist schlecht für die Gelenke!) und die Umwelt mag. Die meisten von uns tun das. Und einige von uns führen auch Rituale in der freien Natur durch, das kann eine schöne Sache sein. Oft gehört zu diesen Ritualen, Dinge in der Natur zurückzulassen. Das finde ich weniger schön, wenn es sich nicht um biologisch abbaubare Materialien handelt. Aber jeder so, wie er mag, nicht wahr?

Nun weiß ich auch, dass es bei uns im Wald hinterm Haus noch mindestens eine Person gibt, die dort gelegentlich hext. Getroffen habe ich sie nicht, aber ich finde regelmäßig auf meinen Streifzügen eindeutige Hinweise – zum Beispiel selbst gefaltete Brigidskreuze im Februar. Das ist also eine von diesen „zurücklassenden Hexen“. Alles gut.

Bis Dienstag. Ich war joggen, das passiert gelegentlich mal, als mir an einem der Äste an einem Baum am Waldrand etwas auffiel:

Irgendeine Person, die offenbar nie Cartoons gesehen und im Physikunterricht aufgepasst hat, hat bei diesem trockenen Wetter mit hoher Waldbrandgefahr – wahrscheinlich völlig wohlmeinend – einen Talisman in den Wald gehängt. Einen aus einem Wollfaden, an dem mehrere prismenartige und konkav geschliffene Objekte hängen.

Ich wiederhole: In einen Wald. Bei Waldbrandgefahr. Am Waldrand, wo es noch viel trockenes Gras, Unterholz und vor allem SONNE gibt.

Gnah.

Echt jetzt?

Auf jeden Fall hab ich das Ding erst einmal so um den Ast gewickelt, dass die Glitzerdingsies auf jedne Fall im Schatten sind, denn ich war natürlich unbewaffnet unterwegs. Am nächsten Tag bin ich noch einmal hin, um das Ding mit Hilfe meiner praktischen kleinen Nagelschere aus dem Baum zu holen und angemessen zu entsorgen. Nur zur Sicherheit. Und unter Einhaltung aller mir bekannter magischer Höflichkeiten. Eigentlich ziemt es sich nämlich nicht, mit den magischen Objekten anderer Personen zu interagieren. Aber das hier ist einfach mal so gedankenlos, das geht nicht. Sogar wenn das Risiko eher gering ist – Hexen sind Naturliebhaber*innen und nicht Naturanzünder*innen. Dachte ich. Vielleicht hat sich da seit meiner Jugend ja einiges geändert?

Menschen, ey …

Die „Tricks of the Trade“ (ein kurzer Rant)

Als schreibende Person liebe ich Schreibratgeber. Manchmal lese ich sie sogar. Und natürlich durchforste ich auch das Internet, wenn ich prokrastiniere, gerne nach Tipps dazu, wie ich besser werden kann.

Immer wieder finde ich dabei Tipps oder Tricks, wie man das „unweglegbare“ Buch schreibt und Leser langfristig an sich bindet … und da ich auch gerne lese, kenne ich viele dieser Tricks auch von der anderen Seite. Und weißt du was? Die meisten von ihnen machen mich madig.

An oberster Stelle steht dabei der „Cliffhanger“, über den immer wieder gern diskutiert wird. In geringer Dosis eingesetzt, hat er durchaus seine Berechtigung, denke ich, aber so Tipps wie „Lasse jedes Kapitel mit einem Cliffhanger enden, damit die Lesenden das Buch nicht beiseite legen können!“ sind einfach nur ätzend. Möglicherweise nicht für alle, aber ICH MUSS MORGEN ARBEITEN. Am Ende eines Kapitels werde ich das Buch weglegen, das Licht ausmachen und schlafen. (Oder noch ein wenig mit dem Kater spielen, damit er bis zum Morgen Ruhe gibt.) Wenn ich also das Gefühl habe, das die Kapitel keine Sinneinheiten sind, sonder sozusagen willkürlich an der ungünstigsten Stelle beendet werden, nervt mich das. Außerdem, finde ich, zeigt es einen Mangel an Selbstvertrauen bei der schreibenden Person. Wenn die Geschichte und der Schreibstil gut sind, lese ich nämlich das Buch gerne weiter, auch wenn die Charaktere (angeblich ein „no-go“) am Ende eines jeden Kapitels schlafen gehen.

Ebenfalls unnötig finde ich es, konstant „den Einsatz zu erhöhen“. Klar, die Spannung sollte im Verlauf der Geschichte steigen, aber häufig sieht es so aus, dass Situationen immer noch absurder und noch unrealistischer werden – ein höherer Einsatz um jeden Preis! Dann ist nicht nur das Kind schwer krank und das Auto kaputt, sondern am Krankenhaus, wenn man endlich ankommt (auf einem dreibeinigen Muli), gibt es Bombenalarm und der leitende Arzt in der Notaufnahme ist der fiese Ex, der das Kind nur sterben lassen würde, um der Protagonistin einen reinzuwürgen, ohne zu wissen, dass er der Vater des Kindes und möglicherweise auch Halbbruder der Protagonistin ist. Klar, Manche Daily Soaps funktionieren so, aber es gibt einen Punkt, an dem so eine Geschichte nur noch lächerlich wirkt. Extra-Punktabzug dafür, wenn „gigantische Probleme“ sich mit einem einzigen Anruf aufklären ließen oder Figuren aus völlig vorgeschobenen Gründen nicht miteinander reden und das Missverständnis beinahe die Menschheit auslöscht. „Meine Güte, jetzt hätte ich beinahe den roten Weltvernichtungsknopf gedrückt, weil ich dachte, du hasst mich, dabei hattest du nur dein Telefon in der anderen Handtasche vergessen und konntest mir deswegen nicht Bescheid sagen, dass du dich fünfzehn Minuten verspätest!“

Ein zweischneidiges Schwert sind die „sympathischen Charaktere“. Klar, ich lese am liebsten über Leute, deren Motivation ich nachvollziehen kann und mit denen ich zur Not auch ein Wochenende in einer einsamen Blockhütte verbringen würde. Aber zwei Standardlösungen, um Charaktere sympathisch zu machen, sind:

  1. Der Charakter ist ein „Underdog“ und/oder Ausgestoßener mit einem furchtbaren Geheimnis.
  2. Der Charakter ist etwas Besonderes und von allen anderen missverstanden (ein Klassiker: Das „nicht wie alle anderen Mädchen“-Trope).

Um diese Dinge so richtig klarzumachen, sind alle anderen herablassend bis gemein zu ihnen. Und da denke ich mir als Leserin: Wieso zum Henker sollte ich meine kostbare Lesezeit in einer Welt verbringen, in der alle furchtbar zueinander sind? Sogar Aschenputtel hatte ihre singenden Mäuse (oder einen guten Dealer)!

Ebenfalls zweischneidig der Rat: „Enthalte Informationen vor“. Ja, bitte, dringend, je nach Geschichte mehr oder weniger – sonst wäre es kein Mystery, sondern ein Aufsatz in chronologischer Reihenfolge. Aber wenn dieser Kniff plump angewandt wird und konstant etwas angedeutet wird, das wahrscheinlich alle Leute bis auf die lesende Person wissen, wird es schnell langweilig und man merkt, dass damit nur eigentlich nicht vorhandene Spannung ausgestopft werden soll.

Ach so, noch ein stilistischer „Tipp“, den ich persönlich hasse: Kurze Sätze.

Sind leichter zu verstehen.

Leute mögen das.

Die kann man schneller lesen.

Aber merkt ihr es? Der Rhythmus des Textes geht dadurch kaputt, und das Lesen macht keinen Spaß mehr. Klar, wer nicht (auch) wegen der Sprache da ist, wird sich da nicht dran stören. Für mich ist schön eingesetzte Sprache wichtig. Dazu gehören nicht nur gut gewählte Wörter und Ausdrücke, sondern auch ein ordentlicher Rhythmus. In Action-Szenen sind kurze Sätze nützlich, um das Atemlose im Moment auszudrücken. Ruhige Momente vertragen längere Sätze und weiche Silben. Meistens kommt es darauf an, die richtige Mischung zu finden.

Der Mann hat einen Ratschlag, den er gern wiederholt: „Don’t learn the tricks of the trade – learn the trade“ (in etwa: Anstatt Hacks auf einem Gebiet zu lernen, arbeite dich lieber richtig in das Gebiet ein.) Und das finde ich gut und richtig – auch beim Schreiben. Klar gibt es Dinge, von denen man sagen kann: Die funktionieren, wenn du deinen Text leichter lesbar/unterhaltsamer/spannender/… machen willst. Aber anstatt sich mit Abkürzungen und Tricks aufzuhalten, sollte man sich lieber darauf konzentrieren, erst einmal eine wirklich, wirklich gute Geschichte zu schreiben.

Jetzt bist du dran: Hab ich mich da in etwas verrannt? Oder habe ich vielleicht sogar etwas vergessen? Welche „Schreib-Hacks“ hasst du, welche sind nützlich – oder überflüssig?

Kommt Kunst vielleicht doch von „können“?

Eigentlich finde ich diese Herleitung unpassend, denn Kunstempfinden ist viel zu subjektiv, als das man bestimmen könnte: „Die Person macht Kunst, die kann das!“

Aber in den letzten Tagen dachte ich mir – vielleicht steckt da doch ein Fünkchen Wahrheit drin. Nicht „können“ im Sinn von „in der Lage sein, etwas auf einem professionellen Niveau zu tun“, sondern eher im Sinne von „die Möglichkeit haben/kriegen, etwas zu tun“. Und ich bin da natürlich nicht durch blankes Nachdenken drauf gekommen, denn: Man „lässt“ mich einfach nicht schreiben.

Der Mangel an Blogposts hat es vielleicht schon angedeutet, hier steppt der Bär, und es fallen etliche zusätzliche Arbeiten an. Jetzt ist mein Alltag eigentlich mit spannenden Dingen vollgepackt, und das Schreiben ist fast das spannendste. Es ist aber auch eines der ersten Dinge, die wegfallen, wenn es dringende Aufgaben zu erledigen gibt. Und ich habe jetzt mehrfach erlebt, dass andere Leute mir zusätzliche Aufgaben aufbürden, weil: „Diandra hat ja Zeit, die macht ja nichts neben der Arbeit.“

Äh, hallo????

„Nichts“???

Ich möchte widersprechen.

Die Mitarbeit in der PAN-Stipendiums-Jury ist nicht „nichts“.

Das Sprechtraining für meine eigenen Hörbücher ist nicht „nichts“.

Und die Geschichten, die ich dringend auf euch loslassen muss, sind erst recht nicht „nichts“.

Aber klar, das fällt dann notgedrungen aus, denn andere Leute brauchen Zeit, um für ihren Urlaub zu packen oder weil sie soviel arbeiten. Wenn ich dann ablehne, weil ich noch einen Haufen Leseproben zu lesen habe, der nächste Online-Kurs ansteht oder ich endlich mal wieder meinen anvisierten Wordcount pro Tag schaffen will, gibt es lange Gesichter. „Äh, ja, ähm, dann müssen wir wohl gucken, wie wir das machen.“

Gut, mir ist klar – so richtig hart materialistisch lebenswichtig ist Kunst nicht. Meine nicht, und die anderer Leute auch nicht. Es ist nicht so, als könne ich ein Heilmittel für Krebs erschreiben oder mittels liebevoll aufeinander abgestimmter Sätze den Krieg in der Ukraine beenden. Dennoch möchte ich kurz eine Welt beschwören, in der sämtliche Kunst mangels Zeit fürs Kunstschaffen ausfällt: Keine Musik. Kein Design. Keine mediale Unterhaltung – also natürlich keine Bücher, aber auch keine Serien, Filme, Dokus, keine Computerspiele, Brettspiele. Kein Bastelhobby, keine gemütlichen Einrichtungsgegenstände. Keine witzigen oder verstörenden Werbefilmchen auf YouTube. Überhaupt – kein YouTube.

Braucht man schließlich alles nicht.

Die Kunstschaffenden können dann stattdessen abgestellt werden, um Flugreisende abzufertigen oder so.

Macht doch etwas Sinnvolles mit eurer Zeit.

Sonst macht ihr schließlich „nichts“.

(Merkt man, dass ich ein wenig angefressen bin? ^^ )

Fehlerfreikultur? Nicht mit mir!

Das Wochenende war lang, anstrengend und emotional herausfordernd. Wir hatten gleich mehrere mittelprächtige Familienkatastrophen. Entspannend war das nicht, wenn ich ehrlich bin. Als dann am Dienstag morgen im Büro eine Kollegin aus einer anderen Abteilung sich dienstlich in unsere Vorgänge eingemischt hat, hab ich sie angeranzt, und mal so richtig nicht-schön.

Kurze Zeit später bin ich bei ihr vorbeigegangen, um mich zu entschuldigen.

Warum erzähl ich euch das? Damit ihr mir auf die Schulter klopft und mir versichert, wir seien alle nur menschlich?

Nicht unbedingt. (Ihr dürft klopfen, wenn ihr wollt.)

Nee, ich will auf etwas anderes hinaus: Normalerweise habe ich sehr, sehr hohe Ansprüche an ethisch korrektes Verhalten und setze das auch bei anderen voraus. Mir ist diffus bewusst, wie man sich generell Mitmenschen und Kolleg*innen im Besonderen gegenüber verhalten sollte.

Trotzdem gibt es Situationen, in denen ich meinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht werde. Und ich habe auch andere schlechte Eigenschaften und Charakterfehler. Beispielsweise kann ich wunderbar gehässig sein, habe wenig Geduld und ziehe vor, dass mein Umfeld ohne große Diskussion einfach das tut, was ich bestimme. Manchmal muss ich über rassistische, sexistische oder ableistische Witze lachen, obwohl mir natürlich klar ist, dass sie thematisch problematisch sind.

Mit anderen Worten: Entgegen allem, was ihr bis jetzt dachtet, und zur allgemeinen Verwunderung bin ich nicht unfehlbar.

Das gilt wahrscheinlich für die meisten Menschen.

Und deswegen ärgert es mich sehr, wenn – gerade (aber nicht nur) in den „sozialen“ Medien – Diskussionen mit einem Totalitätsanspruch und einem ethischen Absolutismus geführt werden, der keinen Raum für Fehler und Lernen lässt.

Jemand versteht nicht, was es mit trans Personen auf sich hat? Beschimpft ihn*sie!

Jemand stellt Fragen zum Thema Ableismus? Was für eine schlechte Person!

Eine blonde Person trägt Dreadlocks? Schimpf und Schande über ihre Kuh!

Und schaut mal dort, jemand hat nicht korrekt gegendert oder die Bildbeschreibung an einem Tweet vergessen!

Es mag in der Natur des Menschen liegen, aus aufrechter Empörung heraus Mobs zu bilden und „die gute Sache“ zu verteidigen. Für einige ist diese gute Sache der Katholizismus. Für andere vegane Ernährung oder die autofreie Innenstadt. Ich will da auch gar nicht werten. Aber diese aktuelle „Diskussions“-Kultur führt dazu, dass kaum jemand Fehler eingestehen mag – und folglich auch niemand aus diesen Fehlern lernen kann. In manchen Kreisen gelten so hohe Ansprüche, dass nicht einmal das Liebeskind von Jesus und dem Dalai Lama ihnen gerecht werden könnte, wenn es bei Wonderwoman in die Schule gegangen wäre.

Und mal im Ernst: Das ist doch Blödsinn.

Ich bin nicht perfekt (siehe oben).

Ihr seid nicht perfekt – nehme ich an.

Wir alle wollen und brauchen Chancen, uns zu irren und Quatsch zu reden. Wir müssen uns gelegentlich irren dürfen, kontroverse Positionen einnehmen und auch mal zurückblicken und feststellen, dass wir früher Unsinn gedacht haben.

Stattdessen wird gestritten, angeschuldigt, nach Dreck gewühlt und laut geschrien.

Im Ernst? Ich bin zu alt, für so etwas habe ich keine Zeit.

Und Disclaimer, weil ich vermute, dass irgendwer auch das hier falsch verstehen wird: Anderen Leuten die Menschenwürde oder gar die Existenz abzusprechen gehört nicht unter den Mantel der Meinungsfreiheit.

Geteiltes Leseleid ist halbes Leseleid? Mitnichten!

Wie ich schon das eine oder andere Mal erwähnt habe, halte ich mich unter meinem eigenen Namen mit Rezensionen meist zurück. Nicht, weil ich zu vornehm für so etwas wäre, sondern weil man sich als schreibende Person mit Rezensionen ganz schön in die Nesseln setzen kann:

Rezensierst du zu gut, bist du eine Gefälligkeits-Bitch, die die Bücher ihrer Freund*innen herumpimpt.

Rezensierst du zu schlecht, bist du ein Neidstinktier.

Rezensierst du irgendwo in der Mitte, hast du wahlweise keine Meinung oder keinen Geschmack.

Und überhaupt, deine Meinung ist ganz falsch!

So oder so ähnlich konnte man das gerade erst wieder auf Twitter beobachten, wo sich einige Leute darüber zerlegten, dass eine Autorin eine Rezension veröffentlichte und die Autorin des besprochenen Buches die Rezension nicht so geil fand. Ich war einmal nur am Rand dabei, holte mir etwas Popcorn und beobachtete mit Befremden, wie Leute, die eigentlich das gleiche wollen (Diskriminierung reduzieren und gute Bücher schreiben) einander an die Gurgel gingen – unterstützt von ihren Freund*innen und Follower*innen, die eifrig mitmischten und beliebig persönlich wurden, auch wenn der ursprüngliche Text es gar nicht hergab.

Jetzt verstehe ich ja beide Seiten.

Wenn ich die Möglichkeit hätte, narrensicher (ich kenn mich ja) ein geschlossenes Pseudonym zu pflegen, würde ich so manche Rezension schreiben, die mit Schimpfwortwarnungen gespickt wäre.

Schreibt hingegen jemand etwas Fieses über meine Bücher, bin ich erst einmal geknickt.

Das eigene Buch ist immer das Schönste und Beste, wie das eigene Kind – und wenn jemand dir sagt: „Dein Kind ist hässlich und stinkt“, ist das eine schwer zu schluckende Kröte.

Jetzt müssen wir Autor*innen allerdings manchmal Profis schauspielern. Dazu gehört, weder fremde Bücher noch Rezensent*innen oder andere Autor*innen unter der Gürtellinie anzugreifen und gleichzeitig Kritik an uns abperlen zu lassen. Eigene Meinungen sollten wir allerdings äußern dürfen, ohne dafür geteert und gefedert zu werden.

Als garstige alte Frau bin ich beispielsweise ein großer Fan vom „Jealous Haters‘ Book Club“, in dem aktuell beliebte Bücher mit problematischen Inhalten durch den Kakao gezogen werden. Würde eines meiner Bücher da auftauchen, wäre ich natürlich auch empört – und diese Empörung würde ich im Kreis guter Freund*innen zelebrieren, die verstehen, dass Autor*innen manchmal Leute mit der stumpfen Feder aufspießen wollen. OFFLINE. Schimpftiraden und Gewaltfantasien gegenüber rezensierenden Personen gehören nicht ins Internet.

Mir ist völlig klar, dass nicht jede Geschichte jeder Person gefallen kann. Wie langweilig wäre das denn? Und mir ist auch klar, dass Leute dazulernen – manche meiner älteren Geschichten würde ich heute auch wieder anders schreiben. Wenn es eine schlechte Rezension gibt, schaue ich: Ist sie konstruktiv? Kann ich etwas daraus lernen? Und dann mache ich weiter, so gut ich kann.

(Sollte man mit so einem Vorgehen Probleme haben, spricht auch nichts dagegen, einfach gar keine Rezensionen anzuschauen. Rezensionen sind nämlich gar nicht für schreibende Personen, sondern für andere lesende Personen.)

Wenn allerdings mal irgendwer auf irgendwen sauer ist oder der Meinung ist, etwas sei bei einer Rezension o.ä. schiefgelaufen und müsse angesprochen werden, hätte ich für die Zukunft mal eine Idee: Wieso setzen wir uns nicht alle gemeinsam hin, akzeptieren, dass ALLE fehlbar sind (Anwesende eingeschlossen) und besprechen solche Dinge dann konstruktiv und mit Respekt? Dieses Ding mit den Lagern und den Mobs und dem „Wenn du mit dem befreundet bist, darfst du nicht mehr mit der befreundet sein!“ finde ich nämlich viel zu anstrengend.

Kettensägenmassaker!

Wenigstens in Gedanken, innerlich, so ein bisschen.

Wer mir schon einmal begegnet ist, weiß: Ich bin manchmal eher ein wenig still. Vor allem, wenn es um wichtige Themen geht. Erst denken, dann über das Gedachte nachdenken, dann reden. Und zwischendurch auch immer gut zuhören!

Leider führt das dazu, dass manche Leute mir nicht zuhören. Oder das, was ich sage, nicht ernstnehmen, denn es ist ja so leise.

Tja, und nun?

Wenn ich lange genug auf ein Problem hingewiesen habe – egal, ob beruflich oder privat – und die Leute das immer wieder abtun, mache ich mir irgendwann ein Protokoll und eine Notiz und lasse das alles auf sich beruhen.

Für den großen Moment.

Den „Ich hab’s euch ja gesagt!“-Moment.

Der dauert nie besonders lange. Dann krempeln wir die Ärmel hoch und machen uns daran, ein Problem zu beseitigen, dass es (so) wahrscheinlich gar nicht gäbe, wenn man nur direkt auf mich gehört hätte.

Leider gibt es dafür keine Auszeichnungen. Und auf den Lerneffekt – dass jemand sagt: „Oh, die war in der Vergangenheit sehr schlau! Wir sollten auf sie hören!“ – warte ich auch noch vergeblich.

Sagen wir so: Ich hege großes Mitgefühl mit Kassandra von Troja. ^^

Was soll ich groß schreiben?

Ich bin keine politische Expertin. Mein historisches Wissen ist begrenzt.

Doch wer hätte gedacht, dass man im 21. Jahrhundert noch einmal explizit sagen muss:

KRIEG SCHLECHT. MACHT DAS NICHT.

Angestrichener Lattenzaun: Oben hellblau, unten gelb, in der Mitte eine weiße, spitzenartige Borte
Bild von Tina Hartung, gefunden auf Unsplash

Ich bin fassungslos und verstehe nicht, wie man heutzutage darauf kommen kann, in ein fremdes Land einzumarschieren. Klar: Die Propaganda, die Ablenkung, die geopolitischen Überlegungen, die Allmachtsfantasien. Aber das hat nichts mit Verstehen zu tun – das ist die Analyse, das ist mein Kopf.

Ich hoffe, dass die furchtbare Situation in der Ukraine sich schnell möglichst friedlich und mit möglichst wenig Verlusten bereinigen lässt. Ich hoffe, dass die Ukrainer*innen ihre Heimat möglichst schnell wieder bewohnen und genießen können. Und ich hoffe, dass die Verantwortlichen mit allen Konsequenzen zur Rechenschaft gezogen werden.

Emily in Paris kann mich mal – oder was Autor*innen und Leser*innen in die Geschichte mitbringen

Blick auf die Seine und den Eiffelturm im Zwielicht.
Foto von Chris Karidis, gefunden auf Unsplash

Vor einigen Tagen empfahl eine Bekannte, man müsse doch unbedingt Emily in Paris gesehen haben. Und obwohl das jetzt nicht unbedingt nach etwas klingt, das ich gerne gucken würde, lasse ich mich doch durchaus gelegentlich vom Gegenteil überzeugen – ich mag Überraschungen. Allerdings habe ich es seitdem noch zweimal probiert, und ganz im Ernst: Es ist nicht meins.

Möglicherweise war das Problem, dass wir mit der ersten Folge von Staffel 2 angefangen haben. Und da wurden zwei Dinge ziemlich schnell klar: Die Protagonistin hat genau drei Gesichtsausdrücke. Und sie ist mir unglaublich unsympathisch. (Achtung, es folgen Spoiler. Winzige Spoiler.)

Halt, halt, halt! Das hat nichts mit „nicht wie andere Mädchen“ zu tun – auch wenn ich selbst nicht viel mit Mode etc. anfangen kann, gönne ich anderen Menschen ihre Freude daran an den meisten Tagen ohne garstige Kommentare. Aber es wurde relativ schnell erwähnt, dass Emily mit dem Partner ihrer angeblich besten Freundin geschlafen hatte. Und unabhängig von den Umständen (wie gesagt, ich habe die erste Staffel nicht gesehen) empfinde ich das als ziemlich unverzeihlich. Mit einer Figur, die so etwas tun kann, möchte ich nicht mehr Zeit verbringen als unbedingt nötig.

Hurra, ein moralisches hohes Ross, auf das ich mich setzen kann! Und sogar mit Anlauf, denn vor einigen Jahren war ich selbst in einer vergleichbaren ungünstigen Situation. Nicht in der von Emily, sondern in der ihrer Freundin. Als ich davon erfuhr, war die entsprechende Beziehung schon seit einigen Jahren vorbei und ich wusste ziemlich genau, auf was für eine traurige Version Mensch ich damals meine Gefühle ausgerichtet hatte. Dass allerdings eine Person, der ich lange und gründlich vertraut hatte, dazu in der Lage gewesen war, mit meinem Ex zu schlafen, als er noch nicht mein Ex war, hat mir auch lange danach den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe ziemlich daran geknabbert, mein Weltbild und diese Freundschaft wieder auf ein einigermaßen stabiles Fundament zu hieven. Und deswegen fällt es mir jetzt lächerlich schwer, für Emily irgendeine Form von Sympathie zu empfinden.

Viele Schreibratgeber empfehlen, man solle seinen Charakteren Schwächen und Fehler mitgeben. Das ist eine tolle Idee, denn es macht sie menschlich. Wir können uns leichter mit Figuren identifizieren, die nicht rundum perfekt sind. Schau mal, die sind ja fast wie wir! Aber natürlich läuft man dann auch Gefahr, dass Lesende ihre eigene Vergangenheit mitbringen, wenn sie die Geschichte lesen, und auf negative Aspekte stärker reagieren, als man es beim Schreiben beabsichtigt hat. Für schwerwiegende Themen gibt es die Möglichkeit, Triggerwarnungen oder „Content Notes“ für die jeweilige Geschichte bereitzustellen (bei meinen Geschichten stehen sie auf der jeweiligen Unterseite hier). Bei kleineren Dingen, die weniger traumatisch sind, muss man es bis zu einem gewissen Punkt in den Händen der Lesenden lassen, wie sie damit umgehen.

Wenn du mal eines (oder auch mehrere) meiner Bücher gelesen hast, weißt du, dass ich meine Charaktere nicht schone. Sie erleben furchtbare Dinge, sie müssen schreckliche Entscheidungen treffen und manchmal machen sie Fehler. Aber es gibt Dinge, die meine Charaktere nicht tun, weil ich mit ihnen dann keine Zeit mehr verbringen wollte. Grausam zu Tieren sein beispielsweise, unnötig Gewalt anwenden, oder eben Freund*innen die Partner*innen ausspannen.

Bei welchen fiktiven „menschlichen Schwächen“ ist für dich die Grenze erreicht? Was tolerierst du von Figuren in Büchern oder Serien/Filmen und was nicht?