Was für Grundschüler nicht so arg erfolgversprechend ist – auch wenn kluge Köpfe gelegentlich stur etwas anderes behaupten – ist für Autorinnen unerlässlich: Schreiben lernen durch Lesen.
Zum einen schreiben wir nämlich überwiegend, weil wir Geschichten lieben.
Zum anderen lesen Autorinnen anders als reine Leserinnen. Wir können sehen (oder wenigstens ahnen), was hinter den Kulissen vorgeht. Mit dieser Spiegelszene soll das Aussehen des Protagonisten gezeigt werden, der die Geschichte selbst erzählt. Der rote Mantel, der dreimal in einer Szene erwähnt wird, spielt später bestimmt noch eine wichtige Rolle. Und diese verschwurbelte Satzkonstruktion soll bestimmt verschleiern, wer der tatsächliche Bösewicht ist.
Wir sehen leicht, wo andere Autorinnen gestolpert sind, doch wir können auch genießen, wo eine einen Meistergriff getan hat – eine schöne Formulierung, eine knackige Wendung, ein komplett neuer Blickwinkel auf eine alltägliche Handlung. Schönes Weltenschaffen ist eine Kunst, die man nicht hoch genug schätzen kann. Knackige Namen für Charaktere, mit denen man direkt einen Blick auf ihre Herkunft, die Epoche und den Kulturkreis, in dem die Geschichte spielt, werfen kann, zergehen auf der Zunge. Und eine Beschreibung, die komplett ohne Adjektive auskommt, aber dennoch ein lebendiges Bild hervorruft, nistet sich schnell im Gedächtnis ein.
In den schönsten Momenten denken wir: So etwas möchte ich auch können. Ich muss wissen, wie sie das geschafft hat. Wenn ich groß bin, will ich schreiben wie die da.
Einige Autorinnen, die ich kenne, lesen selbst nicht – sie haben Angst, das Gelesene könne ihren Stil verfälschen.
Diese Angst teile ich nicht. Mein Stil ist nicht so zerbrechlich, dass er unter der Last schöner (oder auch mal schrecklicher) Eindrücke zerbröselt. Und er ist vor allem nicht so perfekt und gefestigt, dass man ihn nicht mehr gießen, düngen und befruchten könnte.
Außerdem macht mir das Lesen Spaß. Und ich hoffe, dass ich anderen Leuten mit meinen Geschichten ein vergleichbares Vergnügen bereiten kann, wie ich es manchmal abends auf dem Sofa erlebe, wenn ich durch die letzten Seiten eines Buches fliege und gleichzeitig hoffe, die Geschichte möge noch nicht enden.