Dann mach ich mich mal unbeliebt

Immer wieder gibt es Beschwerden in der „Buch-Bubble“, dass deutsche Verlage (oder Verlage generell) ja einfach nur Einheitsbrei veröffentlichen würden. Als Verfasser*in origineller Werke habe man ja sowieso keine Chance. Alles, was bei (bevorzugt „großen“) Verlagen veröffentlicht werden wolle, müsse mit Liebesgeschichte, „starken Frauen“, Happy Ending, … ausgestattet sein.

Und ich schau mir die jüngsten Veröffentlichungen an und denke mir so: Joah, teilweise stimmt das schon. Ein Glück, dass wir das Selfpublishing haben.

Wenn ich dann allerdings gelegentlich ein Werk in Händen halte, bei dem die verfassende Person hoch und heilig verkündet, sie werde von Verlagen ja nur ignoriert, weil ihr Stoff so unglaublich originell und einzigartig und „non-mainstream“ sei, denke ich mir auch schon einmal: „Zum einen das, und zum anderen schreibst du einfach schlecht.“

Das klingt jetzt gemein. Und ich halte mich üblicherweise mit solchen Aussagen zurück, denn a) ich habe den Stil nicht gepachtet, nicht einmal stundenweise; b) Geschmäcker sind verschieden; c) alle schauen irgendwann auf ihre Erstlingswerke zurück und haben dieses nostalgisch aufgewärmte Cringe-Gefühl, weil sie sich inzwischen massiv weiterentwickelt haben. Ich auch. Wenn mir also ein Buch nicht gefällt, muss das nicht an meinem über alle Maßen exquisiten Geschmack oder einem absoluten Mangel an Talent bei der schreibenden Person liegen.

Oft ist es allerdings schon so, dass sich diese aufgrund ihrer Genialität abgelehnten Stoffe lesen wie der goldsternbewehrte Aufsatz in der vierten Klasse. Da kann die Idee noch so toll sein – wenn die schreibende Person die grundlegenden Regeln des Erzählens nicht einhält, landet sie doch flach auf der Nase.

Manche Geschichte strotzt nur so vor Logikfehlern, Haupt- oder Schachtelsätzen (die Mischung macht’s!), üppigen Adjektivgebinden, grammatischen Zeitfehlern, fehlender Motivation bei den Charakteren, komplettem Unverständnis der menschlichen Psyche. Ein gern herbeigezerrtes Beispiel sind die Bösen, die halt böse sind, weil: Sie sind böse, also bösigen sie böse kichern um ihr Bösigtum herum.

Während ich also durchaus der Meinung bin, dass originelle Stoffe es am Buchmarkt schwerer haben können – schließlich finden die schwieriger ihr Publikum, wie soll man sie bloß vermarkten??? – gilt außerdem: Je weniger „Mainstream“ deine Geschichte ist, desto grandioser muss sie geschrieben sein. Nicht nur (aber auch!) auf grammatischer und Rechtschreib-Ebene, sondern auch auf dem Gebiet des Stils.

Und versteh mich nicht falsch – wenn du schlechten Mainstream schreibst, werden die Entscheidermenschen in der Buchbranche dich immer noch ignorieren, denn auf jedes veröffentlichte Manuskript kommen ein paar tausend, die auf den Slushpiles des Vergessens liegenbleiben.

Was kannst du also machen?

Besser schreiben natürlich!

Ärgerlich ist an der Stelle natürlich, dass es wenig gutes Lehrmaterial für so schlecht greifbare Dinge wie „Stil“ gibt, aber behilf dir halt: Lies gute Bücher und analysiere, was sie gut macht. Lies schlechte Bücher und schau dir an, warum sie schlecht sind. Sammle gelungene Sätze und Absätze in einem speziellen Notizbuch. Spiel mit deinen eigenen Texten. Versuch dich am unzuverlässigen Erzähler, an Foreshadowing (dem Andeuten meist finsterer Wendungen), enthalte dem Publikum Informationen vor oder sag ihnen Dinge, die deine Charaktere noch nicht wissen. Experimentier mit Sprachrhythmus, bis der Text rund klingt. Und bleib dir dabei immer im Klaren, dass dein Text nicht perfekt werden wird – aber er wird besser sein, als er es jetzt ist, und irgendwann bist du so gut, dass all die fiesen Verlage und luschigen Lesenden und bösartigen Buchmenschen dich nicht mehr ignorieren KÖNNEN.

2 Gedanken zu “Dann mach ich mich mal unbeliebt

  1. Ergänzen würde ich höchstens, dass auch hervorragende Qualität bar all der von dir genannten Fehler dann eben trotzdem noch lange kein Garant dafür ist, dass sich einer dieser Verlage drum schert, denn meine persönliche Hörensagen-Statistik sagt mir , dass, wenn der Inhalt auch nur ansatzweise queer, poly, gesellschaftspolitisch oder sonst irgendwas ist von dem Verlage glauben, dass die Leserinnenschaft dafür ach wie begrenzt sei, einem einfach nur das Selfpublishing bleibt.

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  2. Wenn man hervorragendst schrübe, wäre mainstreamtaugliche Story wahrscheinlich ein zusätzlicher Motivationsschub für Verlage, aus dem Geschnödel ein Buch zu machen, das definitiv. Aber in vielen mir bekannten Fällen, in denen Leute behaupten, sie würden aufgrund der exotischen Story-Idee ignoriert, fehlt eben zusätzlich die Qualität.

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Los, gebt es mir!